Predigten des Monats Juli 2022

 

 

Jeder Tag, der mit dem Sonnenaufgang beginnt,
ist kostbar. Foto: pixabay

 

 

 

 

 

 

 

 

Monatsspruch Juli 2022

„Meine Seele dürstet nach Gott, nach dem lebendigen Gott.“

                Psalm 42,3 (L=E)

Ein Gebetsruf aus den Psalmen, dem Gebetsbuch der Bibel, für mich eine Morgen-Bitte: Hier bin ich und ich rufe zu dir, mein Herr und mein Gott: Du bist ein lebendiger Gott! Du kennst meinen Leib, meine Seele und meinen Geist. Du weißt um meine Anspannung, das Richtige zu tun und zu sagen. Meine Gefühle vertrocknen, vor dir kann ich meine Lustlosigkeit, meine Angst vor jedem neuen Tag, nicht verstecken. Stille meinen Durst nach neuem Leben, erfülle mich mit ­deiner Kraft.

Ich schreie meine Bitten gerade jetzt anlässlich des ­Ukraine-Krieges, aber auch der weltweiten Katastrophen und Hungersnöte in Friedensgebeten zu Gott! Gott ist lebendig! Er hört zu seiner Zeit. Wenn ich mich von ihm gehört fühle, beginnt für mich eine neue Zeit: Ich werde berührt von ­seinem Frieden und lebe in Versöhnung! Ich erkenne die ­vielen Hände, die in Gemeinschaft verbunden sind. Ich lebe im heute! Ich kann neu hoffen und sehe Aufgaben für mich. Ich freue mich auf mein Leben und bin neugierig auf jede Begegnung!

Mein Tag, der mit dem Sonnenaufgang beginnt und mit dem Vogelgesang am Abend endet, ist wertvoll. Ich danke mit dem Psalmbeter Psalm 42,9: „Am Tage sendest du, Herr deine Güte, und des Nachts singe ich dir und bete zu dem Gott meines Lebens.“ Deine Schöpfung „dürstet“ nach Erlösung. Herr, erbarme dich. Du bist ein lebendiger Gott.

Rosemarie Reuter, Berlin

Die Verbindung mit Gott erneuern. Foto: pixabay

Umkehr zur Lebensfreude

Predigttext zum 3. Juli 2022
3. Sonntag nach Trinitatis:

Hesekiel 18,1-4.21-24.30-32

Wenn aber der Ungerechte sich abkehrt von all seinen Sünden, die er begangen hat, und alle meine Satzungen – spricht der Herr – hält und nach Recht und Gerechtigkeit handelt, wird er am Leben ­bleiben, er muss nicht sterben.

Hesekiel 18,21

Zu Beginn des Textes weist der Prophet ein Sprichwort zurück: „Die Vorfahren essen unreife Früchte, den Kindern aber werden die Zähne stumpf.“ Dazu sagt nach Vers 3 der Herr: „Diese Redensart werdet ihr nicht mehr verwenden in Israel“, und begründet: „Seht, alle Menschenleben gehören mir! Das Leben des Vaters wie das Leben des Sohns. Derjenige, der sündigt, muss sterben!“

Doch dann Vers 21: „Wenn aber der Ungerechte sich  a b w e n d e t  von all seinen Sünden, die er begangen hat, und alle meine Satzungen hält und nach Recht und Gerechtigkeit handelt, wird er am Leben bleiben.“ Dieser Grundsatz wird in Vers 27f. wiederholt.

In Vers 31 heißt es: „Werft all eure Vergehen von euch, mit denen ihr euch vergangen habt, und schafft euch ein neues Herz und einen neuen Geist! Warum denn wollt ihr sterben, Haus Israel? Ich habe keinen Gefallen am Tod dessen, der ­sterben muss! Spruch Gottes des Herrn: Kehrt um und bleibt am Leben!“ Ein Leben ohne Umkehr ist mithin ein Sein zum Tode.

Gott ist die Macht des Lebens – und Wächter über dessen Integrität. So heißt es: „Das Leben dessen, der sündigt, wird sterben.“ Doch er sagt auch: „Ich habe keinen Gefallen am Tod dessen, der sterben muss.“ Von hier zu den beiden Imperativen, mit denen der Text schließt: „Kehrt um und lebt!“

Es gehört zum Leben, dass man sich daran freut. Und unsere Lebensfreude wird gesteigert, wenn sie in dem Lebewesen, das uns begegnet, ihr Gleiches findet. So kommen wir auch Gott näher – seiner Freude an dem Leben, das er geschaffen hat.

Doch es kann auch dazu kommen, dass ein Mensch in seinem Mitmenschen keine Bestätigung des eigenen Lebens empfindet, sondern die Gefahr von dessen Verringerung. Es gelingt ihm nicht, den Anblick des Fremden mit der Empfindung Gottes, des Ursprungs und Elements des Lebens aller, zu verbinden. Dann erkennt Gott, dass er geleugnet wird und dass dieser Mensch begonnen hat, sich von seiner eigenen Lebensfreude zu ­trennen. Daran hat der Herr kein Gefallen.

Somit zu Vers 21 – dem sachlichen Zentrum des Textes: „Wenn aber der Ungerechte sich abkehrt von all seinen Sünden, die er begangen hat, und alle meine Satzungen – spricht der Herr – hält und nach Recht und Gerechtigkeit handelt, wird er am Leben bleiben, er muss nicht sterben.“ Wir sehen: Die Sache unseres Textes ist die U m k e h r  zur Lebensfreude, die Erneuerung der geistigen und emotionalen Verbindung mit Gott, dem Schöpfer und Erhalter unseres Lebens und unserer Welt.

Dr. Lorenz Wilkens, Pfarrer im Ruhestand, Berlin

Christus und die Ehebrecherin, Gemälde von Giovanni Francesco Barbieri, besser bekannt als Guercino, um 1621 (Dulwich Picture Gallery).
Foto: unbekannt, PD, gemeinfrei, wikimedia commons

Recht muss doch Recht bleiben, oder?

Predigttext zum 10. Juli 2022,
4. Sonntag nach Trinitatis:
Johannes 8,3–11

Mose hat uns im Gesetz geboten, solche Frauen zu steinigen. Was sagst du? Als sie ihn nun beharrlich so fragten, richtete er sich auf und sprach zu ihnen: Wer unter euch ohne Sünde ist, der werfe den ersten Stein auf sie. 

                                                                               Johannes 8,5+7

Ist das denn gerecht, was Jesus tut? Hatte diese Frau nicht wirklich den Tod verdient? Moses Gesetz war eindeutig, aber warum haben die Schriftgelehrten und Pharisäer nicht auch den Mann dazu in die Öffentlichkeit gezerrt?

Der Evangelist Johannes bringt es auf den Punkt: Es geht den Gegnern Jesu weder um das Gesetz noch um Gerechtigkeit. Es geht darum, Jesus eine Falle zu stellen. Jesus, dieser Zimmermann, der als großer Lehrer auftritt, – jetzt ­endlich können sie ihm die ultimative Fangfrage stellen! Würde er es etwa wagen, sich gegen das Gesetz Moses zu stellen? Andererseits – konnte er es sich leisten, entgegen seiner Lehre von Liebe und Vergebung zu handeln? Aus der Sicht der geistlichen Führer war dies eine geniale Zwickmühle. Jetzt endlich würden sie ihn als Heuchler entlarven, und – sozusagen als Zugabe, – könnten sie die Ehebrecherin öffentlich steinigen und somit ihre eigene geistliche Führungsposition ­stärken!

Doch ihre Rechnung geht nicht auf! Wie sehr diese eifrigen Gesetzeshüter Jesus auch drängen, er scheint nicht reagieren zu wollen. Hält er sich etwa für wichtiger als Mose? Sie übersehen völlig, dass Mose nur der Überbringer und Gott selbst der Gesetzgeber ist. Sie begreifen nicht, dass Jesus, als Sohn Gottes und quasi Co-Autor des Gesetzes ihnen gerade demonstriert, wozu es tatsächlich gegeben wurde: um Sünder zu überführen und auf Gott hinzuweisen. Genau das tut Jesus.

Vor ihren Augen überführt er die Sünder. Alle. Die Schriftgelehrten sehen nur die offensichtliche Sünde dieser Frau: auf frischer Tat ertappt beim Ehebruch! Jesus aber sieht die verborgene Sünde in ihren Herzen: auf frischer Tat ertappt bei ­Herzlosigkeit, Hinterlist, Selbstgerechtigkeit!

„Wer ohne Sünde ist …“ – das spricht von einer völlig neuen Weise, das Gesetz zu verstehen und anzuwenden. Jesus spricht davon, Sünde zuerst bei sich selbst zu suchen, bevor man über andere urteilt. Jesu Worte bringen zum Nach­denken, hoffentlich auch zur Einsicht, zur Ehrlichkeit, ja, am besten zur Buße! Jedem, der es verstehen will, sagt er: Nur wer ohne Sünde ist, kann Sünder richten. Denn – wer nicht ohne Sünde ist, ist ein Sünder, genauso wie diese Ehebrecherin!

Langsam lehrt sich der Platz. Alle gehen. Zum Schluss steht die Frau allein vor Jesus, vor dem wirklich einzigen, der ohne Sünde ist. Aber er,

der das Recht dazu hätte, will nicht verdammen, sondern von Sünde befreien. Er lässt sie gehen, ohne Strafe, aber mit klarer Anweisung. Voller Barmherzigkeit lässt er Gnade vor Recht ergehen!

Ursula Hecht, Diakonin in CrossWay,
International Baptist Church e.V.,
Berlin

 

 

 

 

 

 

 

Abrams Zug nach Kanaan

Predigttext zum 17. Juli 2022
5. Sonntag nach Trinitatis:
1. Mose 12,1–4a

Und der HERR sprach zu Abram: Geh aus deinem Vaterland und von deiner Verwandtschaft und aus deines Vaters Hause in ein Land, das ich dir zeigen will. Und ich will dich zum großen Volk machen und  will dich segnen und dir einen großen Namen machen, und du sollst ein Segen sein. Ich will ­segnen, die dich segnen und verfluchen, die dich verfluchen; und  in dir sollen gesegnet werden alle Geschlechter auf Erden. Da zog Abram aus, wie der HERR zu ihm gesagt hatte, und Lot zog mit ihm.

                                                                               1. Mose 12,1–4a

Der Predigttext führt uns weit in die Geschichte unseres Glaubens zurück. Er steht am Anfang der Vätergeschichten der Hebräischen Bibel. Es ist die Erzählung von der Berufung des Abraham, der zu dieser Zeit noch Abram hieß. Es ist eine Geschichte, die vom Glauben, dem Segen Gottes und seinen Wirkungen erzählt.

Gott ruft Abram heraus. Ruft ihn in das Un­bekannte. Ruft ihn auf, sich einzulassen auf das Abenteuer des Glaubens. Beruft ihn unter dem Zuspruch seines Segens. Gott wird Abram neue Heimat geben und Gott wird eine große Geschichte mit Abram machen.

Abram lässt alles los, was ihm vertraut war:

Die ihm bekannten Weidegründe für seine Herde, den Kulturraum, in dem er sich auskannte, den Bezug zur Familie und Verwandtschaft. Gott weiß um die Schwere seiner Aufforderung an Abram, sonst wären diese drei Größen nicht erwähnt. Aber der Trennung steht ein großes Versprechen gegenüber: „Geh in ein Land, das ich dir zeigen will.“

Der Bericht von der Berufung Abrams ist der Anfang der Geschichte des Volkes Israel, ist der Anfang der Geschichte und der Geschichten von Isaak und Jakob, von Josef und seinen Brüdern, vom Großwerden des Volkes Israel in Ägypten, von der Unterdrückung dort und der Befreiung des Volkes unter Leitung von Mose zurück in das verheißene Land Abrahams.

Die große und großartige Geschichte beginnt mit dem schlichten Wort an Abram: „Geh!“ Und Abram geht: „Da zog Abram aus, wie der Herr zu ihm gesagt hatte.“ Kein Widerspruch, kein Zweifel, kein Einwand. Abram vertraut Gott. Doch zwischen dem ersten und dem letzten Satz der Geschichte steht etwas ganz Entscheidendes, nämlich die ­Verheißung des Segens Gottes. Nicht weniger als fünf Mal in nur zwei Sätzen verspricht Gott dem Abram Segen. Und dieser Segen wird Folgen haben für Abram. Sein Name wird groß werden und aus seinem Stamm wird ein großes Volk hervor gehen.

Jede kirchliche Begleitung von Übergängen im Leben eines Menschen wird durch den Zuspruch des Segens begleitet. Am Ende jeder unserer Got­tesdienste wiederholt sich die Zusage des Segens Gottes: „Der Herr segne dich und er behüte dich, der Herr lasse sein Angesicht leuchten über dir und sei dir gnädig, der Herr erhebe sein Angesicht über dir und gebe dir Frieden.“

Ich weiß, wie wichtig den Menschen der Zuspruch des Segens Gottes ist. Im Zuspruch und Entgegennehmen des Segens Gottes erfährt das glaubende Herz Bestätigung, auf dem richtigen Weg zu sein. Ich spüre deutlich, wie ich aus der Kraft des Segens Gottes lebe. Dabei ist der Segen nichts Magisches oder eine ­Zauberei. Er ist eine Kraft, von der Leben und Gutes ausgeht. Menschen, auf denen der Segen Gottes ruht, sind ausgestattet mit dieser Kraft, so wie Abram.

Thilo Haak,
Pfarrer der Ostergemeinde Berlin-Wedding

Ich bin getauft und erlöst

Predigttext zum 24. Juli 2022
6. Sonntag nach Trinitatis:
Römer 6,3–8 (9–11)

So sind wir ja mit ihm begraben durch die Taufe in den Tod, auf dass, wie Christus auferweckt ist von den Toten durch die Herrlichkeit des Vaters, so auch wir in einem neuen Leben wandeln.

                                                                               Römer 6,4

Martin Luther soll in Not und Anfechtung auf sein Schreibpult geschrieben haben: „Ich bin getauft.“ Das richtete ihn auf, gab ihm neuen Mut. Ich muss zugeben, dass mir meine Taufe sehr viel bedeutet. Einmal habe ich bei einer Bewerbung unter dem Geburtsdatum auch das Taufdatum angegeben. Aber so etwas wie Martin Luther habe ich noch nie gemacht. Dabei hat er vollkommen Recht! Ich bin getauft – diese unwiderruf­liche einmalige Zusage ist wie ein Siegel von Gott, wie ein Schutzschild, ein Mantra auch gegen den eigenen Zweifel.

Das Untertauchen in der Taufe ­– früher praktizierte man es noch, heute kehrt es mancherorts zurück – symbolisiert das Absterben des alten Menschen, das Reinigen und Abwaschen all dessen, was uns daran hindert, zu Gott zu kommen und seiner Botschaft zu folgen: „Liebe deinen Nächsten wie dich selbst.“ Und wenn der Täufling heraussteigt aus dem Wasser, ist er durch das Wort Gottes auferweckt zu einem neuen Leben mit ­Christus, in dem er eben dies tut. „Wir wissen ja, dass unser alter Mensch mit ihm gekreuzigt ist, damit der Leib der Sünde vernichtet werde, sodass wir hinfort der Sünde nicht dienen.“

Dabei wissen wir, wie schwer das ist, Sünde ist nicht nur ein kleiner Fehltritt. Sünde bedeutet von Gott getrennt der Macht nachzugeben, die Leben zerstört. Ständiges Ankämpfen gegen andere etwa. In der Folge verwelken Beziehungen zwischen Menschen statt zu blühen. Diesen Weg zu verlassen und zu leben als Gottes Eigentum, dazu helfe Luthers Spruch: „Ich bin getauft“ und Gottes Zusage: „Ich habe dich erlöst.“

Sibylle Sterzik, Berlin

Die Speisung der 5000

Predigttext zum 31. Juli 2022
7. Sonntag nach Trinitatis:
Johannes 6,1–15

Philippus antwortete ihm: Für zweihundert Silbergroschen Brot ist nicht genug für sie, dass jeder auch nur ein wenig bekomme. Spricht zu ihm einer ­seiner Jünger, Andreas, der Bruder des Simon Petrus: Es ist ein Knabe hier, der hat fünf Gerstenbrote und zwei Fische. Aber was ist das für so viele? Jesus aber sprach: Lasst die Leute sich lagern.

                                                               Johannes 6,7–10

Alle Evangelien berichten vom Speisungswunder! Nur Johannes erzählt von einem Jungen, der offensichtlich alles gibt! Das fasziniert mich. Wunder hin oder her, auch die vielen Erklärungsversuche darüber interessieren mich weniger. Mich interessiert, woher kommt der Junge? Was veranlasst ihn, sein ganzes Mitbringsel an Lebensmittel, von den Eltern eingepackt, herzugeben?

Ärgerlich, dass offensichtlich nur er seine Taschen geöffnet hat. Mir kann keiner erzählen, dass von 5000 Menschen nur einer etwas zu essen dabei hat! Jesus bewundere ich mit dem Satt-werden von ­vielen Menschen. Er zeigt mir aber auch, wie hartherzig Menschen sein können, wenn es um das eigene leibliche Wohl geht. Immer eine kleine Reserve für mich, meine Familie, war es damals auch der Fall?

Außer diesem unbedarften Jungen, der alles gibt, nicht an ein Morgen denkt. Welch ein Vertrauen! Das zeigt mir wieder einmal mehr, dass es schwer wird mit dem Himmelreich, wenn wir nicht werden wie die Kinder (Matthäus 18,3).

Bestimmt ist es dem einen oder anderen damals auch noch bewusst geworden bei der Essensausgabe. Und er hat dann etwas dazugegeben statt zu nehmen. Da stellt sich die Frage wo und wie kann ich heute handeln, um nicht nur an mich zu denken?

Titus Schlagowsky, Prädikant in Nastätten