Predigten des Monats Juli 2020

Ein Engel ermutigt Elia.
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Zum Monatsspruch Juli 2020

Der Engel des HERRN rührte Elia an und sprach: Steh auf und iss! Denn du hast einen weiten Weg vor dir.        1. Könige 19,7 (L)

Elia(s) bedeutet „Jahwe ist Gott“. Er gilt nach Mose als der bedeutendste Prophet des Alten Bundes. Elia ist ein hebrä­ischer Prophet um 870 aus Thisbe und gilt als Retter der Jahwereligion im Reich Israel vor der drohenden Überwucherung durch den Baalskult. Über Elia existieren legendäre Berichte, unter anderem die Erweckung eines Kindes; die Speisung durch Raben; die Aufnahme in den Himmel.

Elia forderte 450 Baals-Propheten am Bach Kischon heraus. „Und ruft ihr den Namen eures Gottes an, ich aber will den Namen des HERRN anrufen.“ Welcher Gott mit Feuer antwortet, der ist Gott. Am Ende loderte das Stieropfer von Elia im Feuer, der Gott Jahwe erwies sich als der wahre – so die biblische Geschichte vom Gottesurteil auf dem Karmel. Elia bringt daraufhin die 450 Propheten des Baal um. Und muss vor dem Zorn der Frau des Königs Ahab, Isebel, in die Wüste von Beerseba ­fliehen. Dort stärkt ihn ein Engel Gottes mit Essen und Trinken, damit sich Elia weiter für den Glauben an seinen Gott einsetzen kann. Danach wandert Elia vierzig Tage und vierzig Nächte bis zum Berg Gottes, dem Horeb.

Engel schickt Gott als seine Dienstboten. Sie erscheinen anstelle Gottes und handeln in seinem Sinn. Engel übermitteln Botschaften an Menschen, greifen helfend und rettend ein, beschirmen in und führen durch spezielle Situationen. Wenn Gott uns durch Engel aufsucht, drückt er damit seine Liebe zu uns aus, will uns gebrauchen und zurechtbringen.  Aber Gott macht auch uns selbst zu Engeln, indem er durch seinen Heiligen Geist uns etwas aufs Herz legt, das wir tun sollen. Gern wäre ich solch ein Engel.

Karl-Heinz Eberhardt Schäfer, Leipzig

Vergebung heilt Frohe Botschaft Juli 2020
Zur Vergebung durchringen und Gott die Ehre geben. Foto: pixabay

Vernünftiger Gottesdienst

Predigttext zum 5. Juli 2020 4. Sonntag nach Trinitatis:
Römer 12,17–21

Ist’s möglich, soviel an euch liegt, so habt mit allen Menschen Frieden. Rächt euch nicht selbst, ­meine Lieben, sondern gebt Raum dem Zorn Gottes; denn es steht geschrieben „Die Rache ist mein; ich will vergelten, spricht der Herr.“ Lass dich nicht vom Bösen überwinden, sondern überwinde das Böse mit Gutem.                                                          Römer 12,18+19+21

Eine Familie hat die Angewohnheit, die Verwandten im Dorf bewusst nicht zu grüßen und nach Möglichkeit über sie Schlechtes zu erzählen. Ich habe nachgefragt. Dann bekam ich zu hören: Ach, Herr Pfarrer, die haben wir seit 30 Jahren nicht mehr gegrüßt, sie wissen ja gar nicht, was die uns angetan haben.

Ein Unrecht schmerzt, egal ob vermeintlich oder zu Recht. Da versagt man sich aus Stolz und Verletzung öffentlich die Anerkennung der eigenen Verwandten. Mit so einer Haltung möchte man verletzen, Rache üben. Auge um Auge, Zahn um Zahn, und das über Jahrzehnte.

Das ist so ein immer wiederkehrendes Muster: Der hat mir Unrecht getan, jetzt zahle ich es ihm heim. Solch eine Haltung gibt es im kleinen persönlichen Umfeld und in der großen Politik, anstatt Diplomatie zu üben, wird die Keule hervorgeholt: Sanktionen, Drohungen, Nadelstiche und am Ende sogar Krieg?

Was sagt Gott dazu: Mein ist die Rache, es ist nicht eure Sache, den vermeintlichen Gegner mit euren Rachevorstellungen nieder zu machen. Ich, Gott, werde darüber urteilen. Lernt endlich das alles mir zu überlassen.

Paulus schärft unser Gewissen mit seinem Brief: „Ist’s möglich, soviel an euch liegt, so habt mit allen Menschen Frieden.“ Mit allen Mensch nah und fern. Das heißt zuerst: Denk doch mal darüber nach, warum du deinem angeblichen Feind so viel Böses wünschst. Kann einiges an dem, was du auszusetzen hast, auch an dir liegen? Hast du nicht ein mächtiges Eigeninteresse daran, den anderen fertig zu machen? Versöhnen statt spalten, verzeihen statt drohen, das meint die Bitte: Überwinde das Böse mit Gutem. So hofft es Paulus, so erfleht er es inbrünstig für die Gemeinde in Rom und für uns auch heute in unseren tagtäglichen Auseinandersetzungen mit unseren Mitmenschen.

Das muss man sich im persönlichen Bereich durchbuchstabieren: Muss ich diese Verletzung aussprechen, muss ich ironisch und spitzfindig mein Gegenüber bloßstellen mit Hochmut, Verachtung und Arroganz. Und in der großen Politik: Muss man Feindschaft pflegen, kann man nicht diplomatische Wege finden, Streit zu mindern und Verträge zu schließen, die die hasserfüllte Konfrontation mindern? Eine solche Haltung ist mehr denn je gefragt gerade auch von anerkennungssüchtigen Politikern.

Solche einfachen Sätze machen blitzartig klar: Es kann ja auch an mir ­liegen. „Lass dich nicht vom Bösen überwinden, sondern überwinde das Böse mit Gutem.“

Das ist vernünftiger Gottesdienst nach Paulus: Wir überlassen es im Gebet Gott, Unrecht auszugleichen und ringen uns nach Streit dazu durch, endlich zu vergeben. Das macht uns frei, entlastet uns und gibt Gott die Ehre.

Paul Geiß, Pfarrer im Ruhestand, Berlin

 

Das Netz auswerfen Frohe Botschaft Juli 2020Werfen Netze der Hoffnung aus: die Fischer­brigade am See Genezareth. Foto: pixabay

Botschafter werden

Predigttext zum 12. Juli 2020 5. Sonntag nach Trinitatis:
Lukas 5,1–11

Aber auf dein Wort hin will ich die Netze auswerfen. Lukas 5,5

Vor einigen Jahren wünschte sich ein Brautpaar aus diesem Evangelium als Trauspruch diesen Vers: „Aber auf dein Wort hin will ich die Netze auswerfen.“ Kurz stutzte ich, doch dann spürte ich, wie diese Geschichte passte. Schmerzvoll sahen beide auf eine gescheiterte Partnerschaft. Doch sie ­wagten einen Neuanfang. Mit dem Ruf Jesu „die Netze auszuwerfen“ baten sie nicht nur um Gelingen, sondern auch darum, nicht mehr im Trüben ihrer Vergangenheit fischen zu müssen.

Dieses Evangelium ist eben auch ein Gleichnis. Damals wie heute sitzt Jesus mit im Boot unseres Scheiterns und unserer Ängste. Er ermutigt aufzubrechen aus Erfahrungen der Vergeblichkeit und das „tiefe Wasser“ nicht zu scheuen. Dort, wo wir im Dunkeln tappen, holt er uns weg, zeigt einen Weg und schenkt Fülle.

„Auf dein Wort hin will ich neu die Netze auswerfen“. Das hört sich in unseren Tagen zugleich auch sehr „digital“ an. Ein Leben ohne Netzempfang können sich viele kaum noch vorstellen. Als im Frühjahr nötige Abstandsregeln zur Anstandsregel wurden, waren wir dankbar für vielfältige Kontaktmöglichkeiten über das Funk-Netz. Doch menschliche Nähe kann das nicht ersetzen.

In unserer biblischen Geschichte geht es allerdings um schlichte Fischer-Netze. Sie kamen nach erfolgloser Arbeit unter dem Wort Jesu neu zum Einsatz. Überreich wurden sie gefüllt. Das animierte Petrus aber nicht, einen gut gehenden Fisch­laden mit Jesus-Beteiligung aufzumachen, sondern den Aufbruch zu wagen in die Nachfolge. Hinter dem Erschrecken über seine Gottesferne erkannte er dabei, dass die Fülle, die Jesus schenkt, nicht zu einem erfüllten Leben führt, wenn wir Bäuche und Kassen füllen, sondern wenn wir uns in das Netz seiner Liebe fallen lassen. Das gilt, wo Erfolglosigkeit den Tag zur Nacht werden lässt und wo Lebenskrisen unser rostiges Lebensschiff seeuntüchtig machen. „Fürchte dich nicht!“, ruft Jesus. Ich brauche dich! Hol Enttäuschte und ­Resignierte ins Boot, Kleingläubige und Fremde, Gescheiterte aus Corona-Zeiten und brotlose Künstler, Netzaktivisten und Menschen ohne Netzempfang. Gerade als Angefochtene macht Christus uns zu Botschaftern seine Erbarmens.

An der Fischerbrigade vom See Genezareth macht Jesus deutlich, dass er Jünger braucht, Junggebliebene mit einem Herz für Altgewordene und Abgehängte; Verkünder im Alltag, die neugierig machen auf den Geschmack der neuen Welt Gottes; Menschen, die all ihren Schwächen zum Trotz Netze der Hoffnung auswerfen, „auf sein Wort hin“ und sich gehalten wissen im Netz seiner Liebe hier und in Ewigkeit, Amen.

Ralf-Günter Schein, Pfarrer im Ruhestand, Templin

 

 

Regenbogen Zeichen der Gnade Frohe Botschaft Juli 2020

Ein Regenbogen – Zeichen des Bundes.
Foto: pixabay

Gottes Ja

Predigttext zum 19. Juli 2020 6. Sonntag nach Trinitatis:
5.
Mose 7,6–12

Denn du bist ein heiliges Volk dem Herrn, deinem Gott. Dich hat der Herr, dein Gott, erwählt zum Volk des Eigentums aus allen Völkern, die auf Erden sind. Nicht hat euch der Herr angenommen und euch erwählt, weil ihr größer wäret als alle Völker – denn du bist das kleinste unter allen Völkern –, sondern weil er euch geliebt hat und damit er seinen Eid hielte, den er euren Vätern geschworen hat.
Mose 7,6–8a

Das Volk Israel war hart an der Grenze, seinen Glauben, seine Geschichte und seine Herkunft, eigentlich seine ganze Existenzbestimmung aufzugeben. In diese Zeit hinein hält einer eine Predigt, die sie wieder zurückführen will zu dem, was wirklich wichtig ist. Er hält ihnen ihren Glauben, ja die Wurzel und damit die Stütze ihres Seins vor Augen: Ein Mensch, der sich erwählt weiß, wird sich nicht verloren fühlen. Seine Existenz weiß er nicht nur aus sich selbst heraus, sondern von außerhalb seiner selbst bestimmt. Für die Gemeinde Israel ist der Bestimmer ihrer Existenz niemand anders als Gott. Er hat sich in seiner großen und unbeschreiblichen Liebe ein kleines Volk am Rande der Geschichte ausgesucht.

Von den Tagen Abrahams an hat er es beschützt und geleitet. Er war es auch, der sie befreite aus der größten Frustration ihrer Geschichte. Aus der Sklaverei und Unterdrückung hat er sie zur Freiheit geführt. Aus dem Land der Peitschen und Aufseher, aus Ägypten, hat er sie in das Land, wo Milch und Honig fließen, geführt. Gott tat das aus freien Stücken. Nicht weil der Glaube der Menschen der Gemeinde Israel ihn erwählt hat, sondern weil er als der freie und über den Dingen stehende Gott sich die Menschen seines Herzens erwählt hat. In dieser Erwählung gründet Israel. Aus dieser Erwählung durch Gott erhält jeder Bezug ihres Lebens seinen Sinn.

Dieser Erwählungsgedanke begegnet uns auch in der Predigt Jesu. Im Johannesevangelium hören wir von ihm: „Nicht ihr habt mich erwählt, sondern ich habe euch erwählt.“

Gott hat Ja zu uns gesagt, lange schon bevor wir von uns aus auf ihn zugegangen sind. So wie er sich einst in grenzenloser Liebe das kleine Volk Israel ausschaute, hat er sich durch das Leben und die Predigt seines Sohnes allen Menschen zugewandt und sie eingeladen zu seiner Einladung ja zu sagen.

Dieses Ja ist das Ja des Menschen bei der ­Taufe. Da sagen wir: „Ja, Gott, ich will zu dir gehören. Ich will Teil der Gemeinschaft sein, die dir vertraut und die zu dir gehört. Ich bin mir sicher, dass du dich mich erwählt hast. Aus ­diesem Zuspruch will ich leben und an diesen Zuspruch will ich glauben.

So hat es Israel gehört: Gott hat euch erwählt, haltet seine Weisungen. So soll ich es auch hören: Wenn dein Glaube nicht unbedeutend und klein sein soll, wenn du dich nicht der Gefahr aussetzen willst, die Liebe Gottes, in der du gehalten bist, zu vergessen, wenn du dir den Frust des Alltags ersparen willst, dass dein Glaube darin nichts zu suchen hätte, dann mache dir bewusst: Gott hat mich erwählt und diese Erwählung will gelebt ­werden. Es tut gut, sich der Größe dieses Geschenkes jeden Tag neu bewusst zu werden. Denn ein bewusster Glauben wird mein Leben bei mancher Frustration heilsam zu berichtigen wissen. Er wird mich durch manche Tiefe des Lebens hindurch ­tragen. Mein Glaube ist das ständig wiederholte Ja zu der Erwählung, die Gott mir zugesprochen hat und aus der er mich nicht fallen lässt.

Thilo Haak, Pfarrer, Ostergemeinde, Berlin-Wedding

 

 

 

Gastfreundschaft Frohe Botschaft Juli 2020
Gäste freundlich bewirten. Foto: pixabay

Liebe und Gastfreundschaft

Predigttext zum 26. Juli 2020 7. Sonntag nach Trinitatis:
Hebräer 3,1-3

Bleibt fest in der brüderlichen Liebe. Gastfrei zu sein vergesst nicht; denn dadurch haben einige ohne ihr Wissen Engel beherbergt. Denkt an die Gefangenen, als wärt ihr Mitgefangene, und an die Misshandelten, weil auch ihr noch im Leibe lebt.

Hebräer 13,1–3

Es ist Urlaubs- und Reisezeit. Wo kann ich in diesem Jahr ohne Risiko hin reisen? Mit der Gastfreundschaft war es kürzlich schwierig. Besuche und Reisen waren eingeschränkt. Auch Gottes­dienste, Abendmahl und Singen waren verboten. Stattdessen Abstand halten. Wie soll da Gemeinschaft gelebt werden?

Unser Predigttext erinnert uns daran, trotz allem den anderen nicht aus dem Blick zu verlieren. Ein Beispiel für Gastfreundschaft ist die Begegnung Abrahams mit den drei Männern im Hain Mamre (1. Mose 18,1–5). Die Urgemeinde praktizierte sie: Apostelgeschichte 22,44–46 (Epis­tel). Die Apostel Paulus und Petrus rufen dazu auf (Römer 12, 13; 1. Petrus 4,9). Für Jesus ist es eine wichtige Tat bei Rechenschaft im Weltgericht (Matthäus 25, 35.36). Liebe und Gastfreundschaft gehören zusammen.

Da fällt mir eine chassidische Geschichte ein: Rabbi Schmuel von Brysow war einer der von seiner chassidischen Richtung am höchsten geachteten Männer. Und er war reich. Eines Tages kam eine große Gruppe von Kaufleuten nach Brysow, und zwar kurz vor Sabbatanbruch, so dass sie sich ­entschlossen, den Festtag über in der Stadt zu bleiben. Sie kamen zu Rabbi Schmuel und erkundigten sich, ob sie in seinem Hause wohnen und das Sabbatmahl mit ihm teilen dürften. Rabbi Schmuel erwiderte, er könne ihnen beides anbieten, allerdings nur gegen Bezahlung, und dann nannte er sogar noch eine recht hohe Summe, die sie für ihren Aufenthalt zu bezahlen hätten.

Die Reisenden waren befremdet, dass ein Chassid für die Wohltat der Gastfreundschaft Bezahlung verlangte, aber da sie keine Wahl hatten, nahmen sie sein Angebot an. Und so aßen und tranken die Kaufleute über den Sabbat zur Genüge, ja verlangten sogar noch erlesene Weine und ausgewählte Speisen als Entgelt für den hohen Preis, den sie zu entrichten haben würden. Auch zögerten sie nicht, alle möglichen Sonderwünsche zu äußern. Als der Sabbat vorüber war und die Kaufleute ihre Reise fortsetzen wollten, traten sie in Rabbi Schmuels Studierzimmer, um die vereinbarte Summe zu entrichten. Der aber brach in Lachen aus: „Glaubt ihr, ich habe den Verstand verloren? Wie könnte ich Geld annehmen für das Privileg, Reisenden Gastfreundschaft zu gewähren?” Die Kaufleute sahen einander verständnislos an: „Warum habt Ihr uns denn dann nur unter der Bedingung aufgenommen, dass wir euch hoch bezahlen?” Da erklärte Rabbi Schmuel: „Ich fürchtete, es könnte euch peinlich sein, auch genug zu essen oder die besten Weine zu trinken, wenn ihr euch nur als meine Gäste fühlt. Und – seid ehrlich, hatte ich nicht recht?”

Wann und wo haben wir zuletzt Gastfreundschaft erlebt? Wen haben wir freundlich als Gast aufgenommen und bewirtet?

Einer nimmt uns auf und bewirtet uns überreich an seinem Tisch mit Brot und Wein und mit dem täglichen Brot. Möchte es auch unser dankbares Bekenntnis in diesen schweren Zeiten sein: „Du bereitest vor mir einen Tisch im Angesicht meiner Feinde. Du salbst mein Haupt mit Öl und schenkst mir voll ein. Gutes und Barmherzigkeit werden mir folgen mein Leben lang. Und ich werde bleiben im Hause des Herrn immerdar“ Psalm 23, 5.6.

Günther Dimmler, Pfarrer im Ruhestand, Königsee, Thüringen