Predigten des Monats April 2020

Trost spenden Frohe Botschaft

Trost spenden. Foto: Christine Schmidt/Pixabay

Einfach tun, was man kann

Predigttext zum 5. April 2020 Palmarum:
Markus 14, (1–2) 3–9

Jesus aber sprach: Lasst sie in Frieden! Was betrübt ihr sie? Sie hat ein gutes Werk an mir getan. Sie hat getan, was sie konnte;

Markus 14,6+8

Es ist genug. Manchmal sehne ich mich nach ­diesem Satz. Dass ich einmal nicht mehr hätte tun, wortgewandter reden oder effektiver haus­halten sollen. Dass es auch so genug ist, was ich tue. Weil einer sieht, dass ich getan habe, was ich konnte. Weil ich tat, was in meinen Kräften lag.

Kräfte übersteigen zu müssen, das ist, was Menschen wollen, nicht aber, was Gott will. IHM reicht es, wenn man tut, was man kann. Wenn man nicht viele Worte macht, sondern einfach hingeht und handelt. Wenn man Liebe zeigt, selbst inmitten von Todesbeschluss und Verrat. Oder wenn man einem Todgeweihten die höchste Ehre zuteil werden lässt, die Angehörige einem Ver­storbenen noch bereiten können – eine Ehre, die Jesus, als er tatsächlich tot ist, nicht mehr ­erhalten wird.

Natürlich geht es besser. Schon die Adresse hätte effektiver ausgesucht sein können. Nach einem ärmeren Menschen oder gleich mehrere Menschen treffend. Doch diese Perspektive, die allein auf das Größtmögliche schaut, übersieht Entscheidendes: Almosen geben kann man jederzeit. Das kann, wenn nötig, auch über Dritte geschehen. Liebestaten hingegen brauchen die direkte Begegnung. Und die gleiche Perspektive.

Jesus hat den Tod vor Augen. Und die Frau hat es mit ihm, während die Jünger bis zum Schluss unverständig sind. Während die einen also seinen Tod beschließen und der andere im Begriff ist, Jesus zu verraten, schenkt die Frau ihm, dem Todgeweihten, ihre Hingabe. Sie nutzt die letzten Momente, in denen Jesus noch unter den Lebenden ist. Jene kostbaren Momente, in denen, was später erinnert werden wird, noch gestaltet werden kann. Denn auch das gehört zum gelebten Evangelium: den Moment, das Heute zu nutzen, mit der Erinnerung daran, was damals konkret getan worden ist – durch Jesus und auch an Jesus.

Darauf weist uns die Tat der Frau, jener Frau, die getan hat, was sie konnte. Das mag nicht das Beste sein oder das Effektivste, aber es ist gut und darum ist es genug.

Franziska Roeber,  Pfarrerin in Berlin-Mariendorf

 

 

Auferweckung bedeutet: Gott handelt. Foto: Gerd Altmann/pixabay

Ins Leben gerufen

Predigttext zum 12. April 2020 Ostern:
Korinther 15, (12–18) 19–28

Denn wenn die Toten nicht auferstehen, so ist Christus auch nicht auferstanden. Korinther 15,16

Der christliche Glaube ist recht eigentlich eine nur eben schwer zu denkende Angelegenheit. Geglaubt werden soll, dass vor zweitausend Jahren in Jerusalem ein Jude in der fürchterlichsten­ Weise einer Kreuzigung ermordet worden ist und dass er zwei Tage danach von Gott „auferweckt“ wurde. Und noch Schwierigeres soll gedacht werden: dass nämlich in dieser „Auferweckung“ die „Auferweckung“ aller Toten, ja die Neuerschaffung von Himmel und Erde begonnen hat.

Paulus sagt: Wenn diese Welt und Zeit und alle Toten umspannende „Auferweckung“ nicht geschieht, ist der gekreuzigte Christus nicht lebendig, und der christliche Glaube wäre Irrsinn und Lüge.

„Auferweckung“ bedeutet nicht, dass der Tod rückgängig gemacht wird, sondern dass am Ende aller Möglichkeiten Gott selbst handelt. ER ­handelt an dem toten Jesus, indem er ihn „auferweckt“. „Auferweckung der Toten“ ist nach jüdisch-christlichem Verständnis eine besondere Form des Handelns des Gottes Israels, in welchem ER einem Gestorbenen sein völlig verwandeltes Leben wiedergibt als ein ewiges Leben und es hineinstellt in seine, für uns noch unsichtbare Welt.

Für diese aus menschlicher Sicht so schwer zu erachtenden Annahmen gibt es als Beglaubigungen nur – aber was heißt hier „nur“? – drei Hinweise: (1) auf die Geistkraft Gottes, in welcher der Glaube eines Menschen geschaffen wird, (2) auf die Beteuerungen einiger Anhänger*innen des Jesus von Nazareth, sie hätten ihn als Auferweckten direkt und unübersehbar wahrgenommen und (3) auf das Zeichen eines leeren Grabes in Jerusalem. Durch die Jahrhunderte hindurch sagen Chris­tinnen und Christen, die Annahmen seien ihnen zu Überzeugungen geworden, sie hätten die Wirkmächtigkeit des Heiligen Geistes erfahren und es daraufhin gewagt, sich im Leben und im Sterben auf den Auferweckten zu verlassen.

Wie aber lässt sich eine schon mit der Auferweckung des Gekreuzigten begonnene „Auferweckung aller Toten“ vorstellen? Sie geschieht nicht am Sankt-Nimmerleinstag eines in unend­liche Ferne gerückten „Jüngsten Tages“. Sondern der „Jüngste Tag“ ist für uns der Tag unseres ­Sterbens. „Heute wirst du mit mir im Paradiese (in der unsichtbaren Welt des Gottes Israels) „sein“ (Lukas 23,37). Das sagt der gekreuzigte Jesus in der Vollmacht Gottes einem mit ihm gekreuzigten Verbrecher an seiner Seite auf dem Hügel Golga­tha. „Heute“, „gleich“, „binnen kurzem“, „von einem Moment zum anderen“ – im Tod – wirst du auferweckt und in das Licht des Ewigen gestellt.

Wir sind sterblich, aber wo der Tod, Ernst Bloch nennt ihn den großen „Nihilisten“, alle Beziehungen abbricht, laufen wir nicht ins Nichts, sondern werden von Gott aufgefangen und neu „konstituiert“ – das heißt „ins Leben gerufen“. Das ist unsere Auferweckung. Das erkenne ich und darauf vertraue ich – das heißt: ich glaube es.

 Rolf Wischnath, Generalsuperintendent a.D., Gütersloh

 

Das weiße Taufkleid symbolisiert Reinigung

Reinheit symbolisiert das weiße Taufkleid. Foto: Pixabay

Gereinigt

Predigttext zum 19. April 2020 Quasimodogeniti:
Jesaja 40,26–31

Die auf den Herrn harren, kriegen neue Kraft, dass sie laufen und nicht matt werden. Dass sie ­wandeln und nicht müde werden.

Jesaja 40,26

Wandeln, loslaufen, abheben und losfliegen wie ein Adler. Die Flügel ausbreiten und sich in die Luft emporschwingen und die Welt von oben ­be­sehen – einen Überblick gewinnen, mit Adler­augen. Was für eine energiegeladene Vorstellung: Hebt eure Augen in die Höhe und seht! Schaut hin und traut Gott etwas zu!

Wie ein Adler kreist er weit oben über seiner Schöpfung. Ausdauernd schaut er von oben herab. Er sieht alles genau, nichts bleibt ihm verborgen, weder die äußeren Wege noch die inneren Zweifel. Seine Kraft strahlt aus auf die Müden und Matten, die Schwachen und Kraftlosen. Wer Gott vertraut und ihm etwas zutraut, der erfährt eine bis dahin ungeahnte Unterstützung.

„Wie die neugeborenen Kinder“ heißt dieser erste Sonntag nach Ostern. Wie sie werden wir aufgeladen mit Leben, mit Energie, die aus der Kraft der Auferstehung kommt. Wir werden erlöst und gereinigt von der Sünde. Wie könnten wir da nicht hellwach sein und uns aufrichten und der Welt und Gott gegenübertreten und uns wie ­neugeboren fühlen?

Im zweiten Jesajabuch, das mit dem Kapitel 40 beginnt, geht es immer wieder um den Anbruch des Neuen. Das Alte ist vergangen, Neues ist geworden, Gott schafft Neues. Und die Menschen erfahren darin Trost und Zuspruch und neue Kraft. Sie trauen sich, nach Scheitern und Untergang, Gott wieder zu vertrauen. So, wie nach Ostern die Jünger dem Auferstandenen begegnen und entgegen aller Traurigkeit durch ihn, um den sie selber noch trauern, getröstet werden. Sie bekommen Kraft und Energie und machen sich, vom Auferstandenen losgeschickt, auf den Weg in alle Welt um ihr zu verkündigen und zu taufen, andere von der Sünde rein zu waschen, damit sie ein neues Leben beginnen können. Sichtbar wird das in den weißen Tauf­kleidern und der Kleidung der Kinder zur ersten Kommunion am Weißen Sonntag.

Darf man Jesaja so nah an die Auferstehung heranführen? Liegen nicht Welten zwischen dem Bild des Adlers und der Lichtgestalt des Aufer­standenen? Beide verbinden Erde und Himmel. In Jesus kommt Gott tatsächlich auf die Erde und in ihm werden wir neu geboren. In einer neuen Art des Lebens, in dem die Liebe Gottes alles Leid, alle Anfechtung, alles Belastende ernst nimmt, auffängt und von uns abfallen lässt.

Im zweiten Jesajabuch machen die Menschen neue Erfahrungen mit Gott. Unermüdlich setzt er sich für sie ein, er gibt den Müden Kraft und den Matten verleiht er Ausdauer. Alle ruft er mit Namen, jeden und jede, vollzählig, dass nicht eins von ihnen fehlt. So wie er uns beim Namen ruft und uns zusagt: Ich achte auf dich und ich kenne dich und ich stärke dich. „Du bist mein.“

Karin Bertheau, Pfarrerin, Kirchengemeinde Müncheberger Land

Fußspuren Frohe Botschaft

Fußabdrücke hinterlassen auf dem Weg der Gerechtigkeit.
Foto: Rafael Párraga/Pixabay

Eigene Fußstapfen

Predigttext zum 26. April 2020 Miserikordias Domini:
1. Petrus 2,21b–25:

Denn dazu seid ihr berufen, da auch Christus ­gelitten hat für euch und euch ein Vorbild hinter­lassen, dass ihr sollt nachfolgen seinen Fußstapfen.

1. Petrus 2,21b

Ich habe schon vor langem aufgehört, für das Neue Jahr gute Vorsätze zu fassen. Meistens führte das doch nur zu Frustration; wenn ich nämlich mehr oder weniger spät diese guten Vorsätze über Bord geworfen hatte. Darum habe ich irgendwann auch aufgehört, mich an Vorbildern zu orientieren. Sie können sich vorstellen, dass mich darum der Rat aus dem 1. Petrusbrief nicht gerade anspringt: „Denn dazu seid ihr berufen, da auch Christus gelitten hat für euch und euch ein Vorbild hinterlassen, dass ihr sollt nachfolgen seinen Fußstapfen.“ Nach meiner Erfahrung geht das meistens schief, in jemandes Fußstapfen treten zu wollen, denn entweder sind sie mir zu klein oder zu groß. Und außerdem: Die meisten Vorbilder erweisen sich bei näherem Hinsehen als gar nicht so vorbildhaft, wie es auf den ersten Blick scheint.

Auch Jesus? Er war der, heißt es im 1. Petrusbrief; der gelitten hat, obwohl er sich nichts hatte zuschulden kommen lassen, der keine Sünde getan hatte. Ja, so war das wohl, aber das ist nichts, dem ich nacheifern könnte und sollte. Denn wir sind ja nicht aufgefordert, das Leiden zu suchen, im Gegenteil; zur Freude sind wir berufen. Der Freude aber dient es, die Wahrheit zu sagen, in dessen Mund sich kein Betrug fand. Es gilt auch für uns, auf Schmähungen nicht mit Hasseinträgen zu antworten oder Drohbotschaften zu posten, wenn ich glaube, dass mir Unrecht geschieht. Jesus darin folgen zu wollen, ist gut und heilsam und auch gar nicht so schwer.
Schwieriger ist es da schon, gelassen zu bleiben und es Gott anheimzustellen, ob und wie er die­jenigen zur Rechenschaft zieht, die mir Unrecht tun. Denn Rachegelüste überfallen auch mich, und dann die Gelassenheit zu bewahren, Gott machen zu lassen, fällt auch mir oft schwer.
Spätestens ab hier aber greift der Rat nicht mehr, in Jesu Fußstapfen treten zu sollen. Denn was Jesus getan hat, hat er ja gerade getan, damit ich es nicht auch tun muss; er hat seinen Rücken dargeboten, damit ich nicht auch meinen Rücken darbieten muss; er hat die Schuld auf sich genommen, damit ich, der eigentlich Schuldige, nicht mein Leben lang büßen muss, sondern frei und unbeschwert leben darf.
Durch seine Wunden seid ihr heil geworden; er hat seinen Kopf für uns hingehalten, damit wir von unseren Schuldgefühlen, von seelischen ­Verletzungen, von Unheil verschont bleiben. Um fortan der Gerechtigkeit zu leben. Um unseren eigenen Weg zu finden, Gottes Willen zu entsprechen. Um unsere eigenen Fußstapfen zu hinter­lassen; sichtbar für den, der für uns sorgt wie ein Hirte, der seine Schafe leitet und schützt wie ein Bischof eurer Seelen. Darum geht es, lese ich aus dem Text. Meine eigenen Fußstapfen zu hinterlassen; auf dem Weg der Gerechtigkeit Gottes.

Manfred Moll, Pfarrer im Ruhestand, Berlin