
Zum Monatsspruch November 2020
Gott spricht: Sie werden weinend kommen, aber ich will sie trösten und leiten. Jeremia 31,9 (L)
Ist das nicht einer unserer tiefsten Wünsche? Jemanden zu kennen, an den wir uns weinend wenden dürfen? Jemanden, dem unsere Tränen weder unangenehm noch egal sind?
Wann haben Sie das letzte Mal geweint? Wer hat Sie getröstet? Haben Sie überhaupt Trost gewollt? Viele beißen im Kummer die Zähne zusammen, weil sie Tränen für ein Zeichen von Schwäche halten. Aber das ist ein falscher Ansatz, ja, sogar fast eine Beleidung Gottes. Er hat uns geschaffen – in seinem Ebenbild. Deshalb können wir fühlen. Deshalb können und dürfen wir weinen. Er tut es auch.
Ob wir das nun aus Enttäuschung, Trauer oder Wut tun, Gott will uns immer trösten! Natürlich spricht das Bibelwort hier in erster Linie Israel, das Volk Gottes, an. Aber durch Christus gehören auch wir, die Erlösten aus den Nationen, dazu. Gott möchte seine Kinder wieder auf- und neu ausrichten. Er hat Antwort auf alle Fragen. Und – er möchte uns auf gute Wege leiten. Denn das ist der wahre Kern des Trostes. Unsere Tränen abzuwischen, ist nur der Anfang. Wir müssen wissen, wie wir getröstet weitergehen können.
In dieser Jahreszeit leiden viele unter trübem Wetter und schwermütigen Gedanken. Und ist nicht überhaupt dieses ganze Jahr 2020 zum Weinen? Vielen von uns hat es Verzicht, Verlust oder Verzweiflung beschert. Aber was, wenn wir es einfach wagen würden, weinend zu Gott zu kommen? Er verspricht, dass er sich kümmern wird. Wer sich mit glaubendem Herzen darauf einlässt, der kann getröstet seinen Weg gehen – geleitet von Gottes Güte!
Ursula Hecht, Berlin
Wir ernten, was wir säen. Foto: pixabay
Die Früchte der Erde
Predigttext zum 1. November 2020 Sonntag nach Trinitatis:
Jeremia 29,1.4–7(8–9)10–14
So spricht der Herr Zebaoth, der Gott Israels, zu allen Weggeführten, die ich von Jerusalem nach Babel habe wegführen lassen: Baut Häuser und wohnt darin; pflanzt Gärten und esst ihre Früchte; nehmt euch Frauen und zeugt Söhne und Töchter. Suchet der Stadt Bestes, dahin ich euch habe wegführen lassen, und betet für sie zum Herrn; denn wenn’s ihr wohl geht, so geht’s euch auch wohl. Jeremia 29,4–7
Der Prophet Jeremia stellt uns mit seinem Brief, den er an die 597 vor Christus nach Babylon ins Exil deportierten Israeliten verfasst und der als Predigttext für den 21. Sonntag nach Trinitatis gewählt wurde, vor eine Herausforderung. Dieser Sonntag will neue Perspektiven eröffnen, den Blick weiten. In welche Situation hinein hören oder lesen wir diesen Text?
Aus aktuellem Anlass drängt sich beim ersten Lesen eine Parallelisierung der Adressaten auf: Dann würde sich der Brief nicht an eine Minderheit in Babylon richten, der ihnen eine Verbindung in die Heimat, Trost und Halt zu schenken vermag, sondern könnte auch an Geflüchtete aus Kriegsgebieten, Asylsuchende oder Vertriebene adressiert sein.
In der Auslegung des Textes auf diese Situation hin bleibt allerdings eine Spannung unauflösbar bestehen. Jeremia weitet den Blick der Deportierten, indem er ihnen zusagt, dass die Zeit, in der sie in der Fremde leben müssen, begrenzt ist. Die Situation ist endlich, wenn auch nicht schnell vorbei! Sie wird andauern und länger als eine Generation währen. Am Horizont dieser Zeit stehen Frieden, Zukunft und Hoffnung. Aber genau diese Vorläufigkeit wird Geflüchteten, die zum Teil auf einen unbefristeten Aufenthaltstitel hoffen, nicht gerecht.
Daher möchte ich heute eine andere Lesart vorschlagen. Jeremia zeichnet die Situation der Fremdheit in einer neuen Heimat, die nicht aus eigenem Antrieb gewünscht wurde. Sie wird von äußeren Begebenheiten und Ungewissheiten bestimmt und zwingt Menschen, ungewollt die alte Heimat sinnbildlich zu verlassen und in einer neuen Heimat sesshaft zu werden.
Hier denke ich an individuelle Verluste im Leben durch Todesfälle oder auch Trennungen, an schwere Krankheiten, die das ganze Leben wenden. Ich denke an Entwicklungen, die das altbekannte, gewohnte und geliebte Leben plötzlich vollkommen ändern, bei denen einem der Boden unter den Füßen weggerissen wird.
Jeremia spricht dem Menschen in einer existentiellen Krise eine Zukunftsperspektive zu, die er mit einem klaren Auftrag verknüpft. Richtet euch ein in dem Neuen, beackert den Boden unter euch, „baut Häuser und wohnt darin“, lasst euch darauf ein, macht es zu eurem, auch wenn ihr es nicht zu verantworten habt. Werdet Handelnde in dieser Situation, in die ihr unverschuldet hineingeraten seid! Und das alles steht unter dem Zuspruch: Du bist nicht allein, dein Gott begleitet dich auch an diesen Ort! „Denn wenn ihr mich von ganzem Herzen suchen werdet, so will ich mich von euch finden lassen.“
Dr. Sarah-Magdalena Kingreen,
Vikarin in der Kirchengemeinde Dahlem in Berlin-Zehlendorf

Hab Acht
Predigttext zum 8. November 2020 Drittletzter Sonntag des Kirchenjahres:
Thessalonicher 5,1–6(7–11)
Ihr aber seid nicht in der Finsternis, dass der Tag wie ein Dieb über euch komme. Denn ihr alle seid Kinder des Lichtes und Kinder des Tages. Wir sind nicht von der Nacht noch von der Finsternis. So lasst uns nun nicht schlafen wie die andern, sondern lasst uns wachen … 1. Thessalonicher 5,4–6
Ständig auf Achse sein, in Hab-Acht-Stellung, um bereit zu sein, wenn der Tag des Herrn kommt. Dazu mahnt Paulus hier seine Glaubensgeschwister. Verfielen sie in Lethargie und ließen sich gehen? Nein, sie sollten nicht nachlässig werden in der Nachfolge, darin, einander zu trösten und das Gute zu behalten.
Ich kann verstehen, dass einem da mal die Puste ausgeht. Schließlich kam der Herr ja nicht gleich wieder vom Himmel auf die Erde. Er schien sich zu verspäten. Für uns heute scheint die Wiederankunft Christi hier auf Erden gar kein Thema mehr zu sein. Nur in wenigen Predigten kommt es noch vor. Vielleicht fehlt uns auch einfach die Fantasie, wie das vor sich gehen soll?
Aber Paulus sagt da etwas Interessantes: Nur wenn ihr in der Finsternis seid, womöglich alle Sinne ausgeschaltet habt und schlaft, kommt das Licht wie ein Dieb in der Nacht. Überrascht euch der Herr im Dämmerzustand, meint er wohl. Nicht aber, wenn ihr immer im Licht seid. Sozusagen eurer Wesenszug ist. Wenn aus euch das Licht Gottes leuchtet und ihr es damit hell werden lasst, dort, wo ihr gerade seid. Als Erzieherin in der Schule bei den Hortkindern, als Senioren am Telefon, die regelmäßig diejenigen anrufen, die nicht digital angeschlossen sind. Als Kirchdienst, der nicht nur sonntags Kaffee kocht, sondern auch an die Karte für das Geburtstagskind gedacht hat. Als Friseurin, die Obdachlosen die Haare schneidet.
Mit Christus leben, hat viele Möglichkeiten. Welche passt für mich oder dich? Egal, welchen Weg jemand wählt: Kinder des Tages sind „angetan mit dem Panzer des Glaubens und der Liebe und mit dem Helm der Hoffnung auf das Heil“.
Sibylle Sterzik, Berlin

Jesus soll erst einmal jemand verstehen!
Predigttext zum 15. November 2020 Vorletzter Sonntag des Kirchenjahres: Lukas 16,1–8(9)
Was höre ich da von dir? Gib Rechenschaft über deine Verwaltung; denn du kannst hinfort nicht Verwalter sein. Da sprach der Verwalter bei sich: Was soll ich tun? Mein Herr nimmt mir das Amt. Und er rief zu sich die Schuldner seines Herrn. Wie viel bist du schuldig? Der sprach: Hundert Sack Weizen. Er sprach zu ihm: Nimm deinen Schuldschein und schreib achtzig. Und der Herr lobte den ungerechten Verwalter. Lukas 16,1–8(9)
Ein angestellter Manager, der eine Hausverwaltung nebst einem Lebensmittelhandel führt, war nach damaligem Recht befähigt, eigene Unterverträge zu schließen, ohne es dem Chef zu sagen. Offensichtlich hatte er sich dabei die eigene Tasche gefüllt. Das kommt ans Licht. Kündigung und der Karriereabsturz sind vorprogrammiert, stehen vor der Tür. Es folgt die Selbsterkenntnis.
Selbsterkenntnis, dass man zu körperlicher Arbeit nichts taugt und trotzdem als kluger Manager versucht, die Schäfchen ins Trockene zu bringen. Der Clevere erlässt Schulden, kauft sich sozusagen damit Freunde. Dass der Chef von alldem nichts weiß, steht zu erwarten.
Auch uns steht einmal die Kündigung hier auf Erden ins Haus. Mit bloßen, leeren Händen vor unserem Herrgott stehen, das wäre schlecht. Jesus sagt uns darum, wir sollen nicht warten auf den schmerzlichen Abgang aus dem Leben, sondern wir sollen uns Fürsprecher kaufen. Egal wo das Geld herkommt. Hilf Menschen, es wird sie bestimmt nicht interessieren, wo das dafür herkommt. Tu etwas für Menschen. Gott wirds vergelten. Habe ich Jesus damit verstanden? Angst? Angst habe ich nicht vor dem, was ich nicht verstehe in der Bibel, sondern vor dem, was ich verstehe.
Titus Schlagowsky, Seelsorger und Prädikant, Nochern, Hessen und Nassau
Gott verheißt, uns zu trösten. Foto: pixabay
Tränen werden abgewischt
Predigttext zum 22. November 2020 Ewigkeitssonntag:
Offenbarung 21,1–7
Siehe da, die Hütte Gottes bei den Menschen! Und er wird bei ihnen wohnen, und sie werden seine Völker sein, und er selbst, Gott mit ihnen, wird ihr Gott sein; und Gott wird abwischen alle Tränen von ihren Augen, und der Tod wird nicht mehr sein, noch Leid noch Geschrei noch Schmerz wird mehr sein; denn das Erste ist vergangen. Und der auf dem Thron saß, sprach: Siehe, ich mache alles neu! Offenbarung 21,3–5
Die Entstehungszeit dieses Textes ist trostlose Zeit. Die Christen litten sehr unter den Verfolgungen durch die römischen Machthaber. Vielleicht ist das Erleben und Fühlen der Christinen und Christen von damals gar nicht so fern von dem Empfinden der Menschen in unseren Gottesdiensten am Ewigkeitssonntag.
Wir gedenken der Verstorbenen. Manche Träne ist geflossen und fließt auch noch heute. Wir empfinden diese Tage als bedrückend und suchen Trost. Gott will uns seinen Trost geben. Johannes hat Gott gehört und gesehen und sagt Gottes Trost weiter. Gott wird seine Macht gegen das Traurigste erweisen, wenn die Not für die Menschen am größten geworden ist.
Die Offenbarung des Johannes entstand zur Regierungszeit des römischen Kaisers Domitian. Er war einer der grausamsten Verfolger der Gemeinde. In diese trostloseste Zeit hinein spricht Johannes eines der am meisten tröstenden Worte, die ich aus der Bibel überhaupt kenne. In seiner Vision greift er auf Bilder zurück, wie sie uns ganz am Anfang der Bibel begegnen. Am Ende der Zeiten wird alles neu und wieder in die Zeiten paradiesischer Harmonie zurückgeführt. Himmel und Erde werden neu geschaffen. Etwas, das Gott für die Seinen schon lange im Himmel bereit hält, kommt auf die Erde. Schön ist es anzusehen, wie eine geschmückte Braut.
Und Gott nimmt Wohnung bei den Menschen. So wie er einstmals im Paradies bei den Menschen wandelte, wird es wieder sein. Gott ist dann bei seinen Menschen. Er wohnt mitten unter ihnen. Greifbar, hörbar, spürbar ist er da. In diesem Moment wird alles anders. Es gibt keinen Grund mehr zur Klage, zur Trauer und zur Traurigkeit. Gott nimmt sein Taschentuch heraus und beginnt den Menschen die Tränen abzutupfen. Ganz zärtlich und vorsichtig stelle ich mir das vor. Gegen alle Traurigkeit und gegen alles Leid, das wir erleben, setzt Gott eine neue Erfahrung. Da brauche ich nicht mehr zu weinen und meine Tränen werden getrocknet.
Mit dieser Vision vermag der Seher Johannes etwas ganz Großartiges. Er geht mit seinen Gedanken den Weg von der Vertröstung auf kommende Zeiten hin zum Trost zu allen Zeiten. In seinem Bild werden erlebte und leidvolle Gegenwart und erhoffte und leidlose Zukunft zu einem. In die trostlose Gegenwart des Leides und der Tränen hinein sagt er eine Botschaft des Trostes. Denn Gott ist nicht nur Anfang und Ende, nicht nur alles, was unser Leben am Anfang und am Ende, sondern auch zu allen Zeiten dazwischen bestimmt. Gott geht mit uns von A bis Z.
Überall da, wo für Menschen mit leidvollen Erfahrungen Gott gegenwärtig wird, wo sie ihn spüren und seine Macht an ihrer Seite, da werden sie auch den Trost spüren, den Gott gegen alle Widrigkeiten und Traurigkeiten der Gegenwart zu setzen vermag. Gott hält Anfang und Ende und alles dazwischen in seiner Hand.
Thilo Haak, Pfarrer der Ostergemeinde Berlin-Wedding

Der Friedenskönig kommt
Predigttext zum 29. November 2020 Advent: Sacharja 9,9–10
Brich laut in Jubel aus, Tochter Zion! Schrei Deine Freude heraus, Tochter Jerusalem! Sieh‘ doch, dein König! Er kommt zu Dir. Ins Recht gesetzt und gerettet ist er, ohne Besitz, voll Demut und reitet auf einem Esel, ja auf einem Grautier, dem Füllen der Eselin. Aus Ephraim rotte ich die Kampfwagen aus, die Streitrosse aus Jerusalem, der Kriegsbogen wird zerbrochen. Er verkündet den Nationen Frieden, regiert von Meer zu Meer, vom Tigrisstrom bis zu den Enden der Erde.
Sacharja 9,9-10, in der Übersetzung der Bibel in gerechter Sprache
Zum 1. Advent beginnt die Vorweihnachtszeit, diesmal in einem seltsamen Jahr, in dem alles anders ist. Lockdown im Frühling, AHA-Regeln – Atemschutzmasken, die Mund und Nase bedecken, Hygiene und Abstand, eine schreckliche, weltweite Pandemie, die noch lange nicht vorüber scheint.
Advent heißt aber auch in diesem Jahr Vorbereitung auf die Ankunft des Friedenskönigs Jesus Christus. Dazu passen die Worte des Sacharja, die sich auf Jerusalem als eine Art Welthauptstadt beziehen. In einer neueren Übersetzung lauten sie: „Brich laut in Jubel aus, Tochter Zion! Schrei deine Freude heraus, Tochter Jerusalem!“ Wann haben Sie das zuletzt erlebt, in lauten Jubel ausbrechen, die Freude herausschreien? Kann man heute so jubeln?
Enthusiastischer Jubel, der ihnen gilt: Das hätten sie gerne, die Diktatoren in unserer Welt, die einfach nicht verschwinden wollen. Sie sind keine Friedenskönige. In ihrem seltsam überholt anmutendem Nationalismus meinen sie: Wir zuerst, ich und meine Truppe, wir verschaffen euch Ruhm und Ehre. Sie trommeln sich wie ein Gorilla auf die Brust, um Eindruck zumachen. Was für ein hohler Jubel ist das. Ganz anders als der Jubel, der den Friedenskönig erwartet, der in der Vision des Sacharja schon vor 2500 Jahren erträumt wurde und den Jesus dann erlebt hat beim Einzug in Jerusalem. Echte, authentische Freude klingt jetzt schon an in unserer Adventsmusik und in unseren Adventsliedern.
Zwei Kennzeichen hat er, der Friedenskönig. Er ist ohne Besitz, voll Demut kommt er. Ein Novum in der Weltgeschichte. Er reitet auf einem Esel. Der Bogen wird weit gespannt. Zuerst: Gott wird die verheerenden Waffen vernichten und dann: Der Friedenskönig setzt seinen Frieden gewaltlos durch, regiert von Meer zu Meer, vom Tigrisstrom bis zu den Enden der Erde. In einem Schwung breitet sich Gottes Frieden aus über die ganze Welt. Das ist die Vision zu Beginn der Adventszeit, die die ganze bewohnte Erde einschließt, verursacht vom Friedenskönig und seinen gewaltfreien Getreuen.
Zu schön um wahr zu sein? Wahrscheinlich. Ansätze sind ja da zum Beispiel in den Institutionen der Vereinten Nationen. Aber wir warten und hoffen auf mehr!
Jetzt beginnt sie wieder, die Adventszeit, die den Blick öffnen soll für den weltumspannenden Frieden, den Gott in Jesus Christus bringen will. „Bereitet doch fein tüchtig den Weg dem großen Gast; macht seine Steige richtig, lasst alles, was er hasst“ EG 9, 2). Sacharja lädt uns ein in eine gesegnete Adventszeit.
Paul Geiß, Pfarrer im Ruhestand, Berlin