
Monatsspruch Mai 2022
Ich wünsche dir in jeder Hinsicht Wohlergehen und Gesundheit, so wie es deiner Seele wohlergeht. Johannes 2 (E)
Da erhält Gaius einen Brief von Johannes. Das alleine ist schon mal eine Freude wert, denn wer erhält nicht gerne Post, noch dazu, wenn sie von Freunden ist. Beim Lesen des Briefes kommt eine weitere Freude für Gaius hinzu. Er wird gelobt und nicht zu knapp. „Ich habe mich sehr gefreut, als Brüder kamen, die für deine Treue zur Wahrheit Zeugnis ablegten und berichteten, wie du in der Wahrheit lebst“ (3. Johannes 2,3). Gemeint ist hier der Einsatz für den Glauben und für Christus. Da kann man sich wahrhaft freuen, denn wer wird nicht gerne gelobt?
Doch dann folgt auch gleich eine Bitte. „Du, hör mal“, meint Johannes. „Auch, wenn du dir alle Mühe gibst, es stimmt etwas nicht. Euer Oberhaupt, Diotrephes, setzt sich nicht so für unseren Glauben ein, wie wir es uns gewünscht hätten. Im Gegenteil, er will die Führung selbst übernehmen und uns so langsam ausbooten. Die letzten Briefe, die ich schrieb, erreichten euch nicht, sie kamen zurück zu mir. Darum habe ich heute einen anderen Weg gewählt und diesen Brief direkt an dich gesandt.“
Das hört sich wirklich schlimm an. Doch auch heute noch kommt es vor, dass wir solche Hirten finden. Was kann man tun, was kann in unserem Fall Gaius tun? Das ist nicht einfach, noch dazu, wo wohl keinem von uns nach Streit der Sinn steht. Es geht weniger darum, wer die Führung behält, sondern allein um Christi Sache, um den wahren Glauben. Das einzige, was da wohl helfen wird, ist ein Gespräch in Nächstenliebe, um Diotrephes zu überzeugen, ohne ihn bloßzustellen.
Christina Telker, Bernau

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„Weide meine Lämmer!“
Predigttext zum 1. Mai 2022
Miserikordias Domini: Johannes 21,15–19
Da sie nun das Mahl gehalten hatten, spricht Jesus zu Simon Petrus: Simon, Sohn des Johannes, liebst du mich mehr, als mich diese lieb haben? Er spricht zu ihm: Ja, Herr, du weißt, dass ich dich lieb habe. Spricht Jesus zu ihm: Weide meine Lämmer!
Johannes 21,15–19
Es ist der Sonntag des guten Hirten. Wochenspruch und Psalm und Lesungen sind darauf abgestimmt. So auch der Predigttext. Und vermutlich wird die Gemeinde diesmal nicht im Wechsel, sondern unisono, vielleicht sogar auswendig und im Bewusstsein der Verbundenheit auch mit den jüdischen Geschwistern beten: „Der HERR ist mein Hirte, mir wird nichts mangeln.“ Spätestens beim Evangelium aber wird dieser „HERR“ sich zu erkennen geben als einer, der sich selber wie ein Lamm zur Schlachtbank führen lässt: „Ich bin der gute Hirte. Der gute Hirte lässt sein Leben für die Schafe …“. Was aber heißt das für die Schafe?
„Weide meine Lämmer!“. Das ist ein Wort des Auferstandenen, der sich als solcher seinen Jüngern zu erkennen gibt. Sie waren wieder zurück- gekehrt nach Galiläa, zurück zu ihren Netzen. Sie waren wieder auf sich selbst zurückgeworfen, wie Schafe, die keinen Hirten haben. Sie sehen ihn am Ufer stehen. Sie essen mit ihm Brot und Fische, so wie es immer war, wenn sie mit ihm zusammen waren. Sie wissen, dass er da ist, mitten unter ihnen, und sie wissen es doch nicht. „Niemand wagte, ihn zu fragen.“ Soweit die Vorgeschichte.
Und dann der Auftrag, die Berufung: „Weide meine Schafe!“ Der Angeredete ist Petrus, gemeint aber sind alle, auch mit der Frage: „Hast du mich lieb?“ So haben sie sich doch wohl alle nach seiner Hinrichtung gefragt: „Hab ich ihn lieb? Ist er für mich immer noch derselbe, auf den ich mich verlassen konnte, auf dessen Wort wir alles wagen wollten? War er nicht für uns so wie ein Hirte, der seine Schafe gut und sicher weidet, so dass sie keinen Mangel leiden und nichts zu fürchten haben, keine Feinde, keine Wölfe, keine Löwen? Nun aber ist er selbst gerissen worden! Oder? Ist er’s, oder ist er’s nicht?“
„Herr, du weißt, dass ich dich lieb habe!“ Dreimal dieselbe Frage. Dreimal dieselbe Antwort. So als wagte der Gefragte nicht, es frei heraus zu sagen, als müsste es ihm in den Mund gelegt werden: „Sag du es mir! Du kennst mich besser als ich!“ Und dreimal, fast möchte man verwundert sagen: trotzdem, der Auftrag, die Berufung: „Weide meine Schafe!“ Sei selbst ein guter Hirte! So wie ich es war für euch, sei du es jetzt für andere!
Der Berufung aber folgt die Warnung: „Aber Vorsicht! Ich gebe meine Schafe jetzt in deine Hand. Du sollst sie in meinem Sinne führen. Aber du wirst ein geführter Führer sein und bleiben. „Ein anderer wird dich gürten und führen, wohin du nicht willst. Folge mir nach!“ Manch einer wird sich noch erinnern an den Bericht von Helmut Gollwitzer über seine Zeit als Kriegsgefangener in Russland. Es geht nicht immer nur nach unserem Willen. Oft zeigt es sich erst im Nachhinein, wohin der gute Hirte seine Schafe führen will. Dann werden sie erkennen, dass es trotz allem eine gute Weide war. Dann werden sie unter all den Stimmen, die auf sie einreden, seine Stimme heraushören und wieder wissen, was sie an ihrem guten Hirten hatten und dass nichts und niemand sie „aus seiner Hand reißen“ wird.
Ulrich Hollop, Pfarrer im Ruhestand, Berlin

Foto: Archiv Nützel
Was ziehen wir an?
Predigttext zum 15. Mai 2022
Kantate: Kolosser 3,12–17
So zieht nun an, als die Auserwählten Gottes, als die Heiligen und Geliebten, herzliches Erbarmen, Freundlichkeit, Demut, Sanftmut, Geduld. Und der Friede Christi, zu dem ihr berufen seid in einem Leib, regiere in euren Herzen und seid dankbar. Kolosser 3,12+15
Diese Frage stellt sich dem jungen Mann vor mir zurzeit nicht. Er ist als nigerianischer Student aus Kiew mit seiner Braut nach Berlin geflohen – mit nichts als den Kleidern auf dem Leib und ihren Handys. Aber er jammert nicht. Er spricht von seinem Glauben an Gottes Vorsehung und wie froh er ist, dass ihnen die Flucht gelungen ist, auch wenn die letzten Bilder vom Bombeneinschlag neben ihnen in Kiew in ihre Seele eingebrannt sind. Er ist voller Dankbarkeit für Gott und die Menschen, die ihm eine sichere Unterkunft in ihrer Wohnung für zwei Wochen zur Verfügung stellen und 50 Euro für die ersten Tage gegeben haben.
In der Zeitung fragt der Trendanalyst, ob die blaugelben Pradamodelle bei der Fashion Week eine solidarische Kleidungsform angesichts des Krieges in der Ukraine sind oder ob Mode besser schweigen sollte. Die Bilder im Fernsehen zeigen einen scheinbar rational agierenden russischen Präsidenten im blauen Anzug mit Krawatte beim Regierungsbusiness wie gewöhnlich und einen ukrainischen Präsidenten im olivbraunen T-Shirt konzentriert auf die Organisation der Verteidigung der Ukraine.
Und was ziehen wir in diesen Zeiten an? Die Antwort, die unser Predigttext aus dem Kolosserbrief auf diese Frage gibt, war an eine kleine christliche Gemeinde gerichtet, die nach dem Tod des Apostels Paulus verunsichert war, wie es weitergehen soll. Sie lebte als kleine Gruppe in einer religiös und kulturell pluralen kleinasiatischen Stadt, die ihre besten Zeiten hinter sich hatte. In unserem Predigttext sind sie aber nicht irgendwer am Rande der Weltgeschichte, sondern sie werden angesprochen als die Auserwählten Gottes, als die Heiligen und Geliebten Gottes. Es kommt auf ihre Bekleidung, ihr Weitergeben der Vergebung Gottes, ihr gegenseitiges Ertragen und das derjenigen, die ihnen als gänzlich „Andere“ begegnen, ihre Taten im Namen Jesu Christi in Worten und Werken, ihr Lehren, Ermahnen, Singen vom Frieden und der Weisheit Jesu Christi und ihren Dank, ihr Dankbarwerden gegenüber Gott an.
Ihre Kleidung soll aus herzlichem Erbarmen, Freundlichkeit, Demut, Sanftmut und Geduld bestehen und die Liebe als Band der Vollkommenheit soll diese Kleidung zusammenbinden. Wenn ich diese Kleiderordnung lese, sehe ich eine Vielfalt von gläubigen Menschen vor mir. Mit Kopftuch, Haube, Turban und Kippa, mit schwarz-weißen, blauen, braunen und orange-roten Mönchs-, Nonnen- und Diakonissentrachten aber auch Uniformen, roten, schwarzen und weißen Talaren und Miniröcken sind sie in einem Video zu dem Lied „Imagine“ von John Lennon zu sehen. Es ertönt bei den Friedensdemonstrationen in dieser Zeit wie eine Hymne und besingt die Hoffnung auf das Einssein der Welt, die Überwindung von Feindschaft, Gewalt und Tod aufgrund von Grenzen, Ländern, Religionen und gegenseitigen Verteufelungen als Überzeugung nicht nur von Träumerinnen und Träumern, sondern als zu realisierende Möglichkeit für diese eine Welt. Für mich ist es ein Hoffnungslied und in diesem Sinn dann auch ein Danklied am Sonntag Kantate für die Perspektive, die uns Gott mitten in den Schreckensbotschaften eröffnet.
Dr. Gerdi Nützel, Pfarrerin in der Evangelischen Studierendengemeinde Berlin für internationale Studierende

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Hilft beten?
Predigttext zum 22. Mai 2022
Rogate: Lukas 11,(1–4)5–13
Bittet, so wird euch gegeben; suchet so werdet ihr finden; klopfet an, so wird euch aufgetan. … Wenn nun ihr, die ihr böse seid, euren Kindern gute Gaben zu geben wisst, wie viel mehr wird der Vater im Himmel den Heiligen Geist geben denen, die ihn bitten! Lukas 11,(1–4)5–13
Die Botschaft scheint klar, die Aufforderung und Ermutigung, die dem Sonntag den Namen gibt: Rogate! Betet!
In den ersten vier Versen hören wir Jesus, wie er seine Jünger lehrt, in nur wenigen Worten zu beten. In wenigen Worten das Wesentliche, vom Bekenntnis zu dem einen Gott bis hin zur Selbstverpflichtung der Betenden. Ein christlicher Gottesdienst ohne dieses Gebet ist für mich nahezu unvorstellbar, ist es doch immer auch Ausdruck der weltweiten ökumenischen Verbundenheit der Christen.
Aber in diesen Tagen ist meine Freude darüber sehr getrübt, muss ich doch daran denken, dass der oberste Geistliche der russisch-orthodoxen Kirche den kriegerischen Angriff auf die Ukraine, unermessliches Leid, vieltausendfachen Mord und hemmungslose Verwüstung religiös rechtfertigt. Und ich weiß auch, wie vielfältig in Vergangenheit und Gegenwart das Beten einher ging und geht mit verwerflichen Gedanken und schändlichem Tun. „Ihr, die ihr böse seid …“ sagt Jesus in unserem Text.
Wir werden uns die Frage gefallen lassen müssen, welchen Sinn und Wert das (gemeinsame) Gebet denn habe, wenn es nicht einher geht mit entsprechendem Tun.
Auch der zweite Teil des Textes, diese bilderbuchartigen Gleichnisse vom Bitten und Empfangen, vom Suchen und Finden, Anklopfen und Eingelassen werden rufen mit Sicherheit Fragende und Zweifler auf den Plan. Auf den ersten Blick suggerieren diese Verse, man müsse nur deutlich und nachdrücklich, vielleicht sogar unverschämt drängend vor Gott treten – und dann würde das schon klappen mit dem Gebet.
Ich denke an die vielen Friedensgebete in diesen Tagen. Wie schön wäre es, wenn damit der Krieg in der Ukraine, ja Kriege und Unfrieden überhaupt aus der Welt zu schaffen wären, wenn es durch Beten kein sinnloses Töten, keine Vertreibungen und Fluchten, keinen Hunger, keine Armut, kein Corona und keine Klimakatastrophe mehr gäbe und wir alle manche Sorge weniger haben müssten.
Ist Beten also nutzlos? Nein! Es ist nur ein Missverständnis, wenn wir meinen, es müsse nur richtig gebetet werden und dann würde Gott es schon richten! Er ist kein Automat, aus dem man bei Einwurf passender Währung sofort das Gewünschte erhält. Am Ende unseres Textes steht, was Gott denen geben wird, die ihn bitten. Das ist nicht mehr, aber vor allem nicht weniger als der Heilige Geist! Recht verstanden geht es beim Beten also letztlich nicht um einen möglichen Sinneswandel des Vaters im Himmel, sondern um unseren und um unser Denken und Handeln im Geist Jesu, im Geist des Friedens und der Liebe.
Manfred Lösch, Pfarrer im Ruhestand und Gefängnisseelsorger der EKBO

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Der Geist tritt für uns ein
Predigttext zum 29. Mai 2022
Exaudi: Römer 8,26–30
Desgleichen hilft auch der Geist unsrer Schwachheit auf … der Geist selbst tritt für uns ein mit unaussprechlichem Seufzen. Wir wissen aber, dass denen, die Gott lieben, alle Dinge zum Besten dienen, denen, die nach seinem Ratschluss berufen sind. Römer 8,26+28
Noch ist der vor wenigen Stunden Neugeborene namenlos und doch hat er bereits viele Aufgaben, ja Funktionen. Sein Platz in der Familie ist der Erste der nächsten Generation. Zur Welt gekommen ist er in unsicherer Zeit, wie damals seine nun Urgroßeltern. Geliebt von den Familien ist er schon lange vor diesem Geburtstag. Sein erster Schrei war ein Urschrei, berichtet der stolze Vater. Dieses Kind ist Kraftquelle in schwieriger Zeit, unaussprechliche Freude neuen Lebens, Verheißung auf eine Zukunft. Ist er berufen oder vorherbestimmt?
Alles ist bereits da, ist längst in diesem kleinen Menschen angelegt. Vieles wird er selber gestalten müssen und wollen. Auch in Zeiten eigener Schwachheit – und gebe Gott ihm das Vertrauen, auch dann geliebt zu bleiben. Sich ins Herz schauen zu lassen, Leiden und Freude zu zeigen. Und sich trösten zu lassen, Sorgen und Nöte abgeben zu können in dieses unaussprechliche Seufzen des Heiligen Geistes, den Tröster und Statthalter für unsere Sorgen, den Lebensbegleiter und unermüdlichen Aufrichter.
Auch in uns ist so vieles längst angelegt und darüber hinaus wird immer wieder mehr von uns erwartet. Gott stellt uns vor weitere Aufgaben und Herausforderungen. Einige können wir nicht allein aus eigener Kraft bewältigen oder gar meistern. Aber wir wissen auch, dass Gott uns nicht überfordern wird, selbst wenn es sich immer wieder mal so anfühlt. Gott bleibt bei uns gerade dann, wenn es schwerfällt, sich tatsächlich trösten zu lassen, weil wir fragen: Wozu der Wahnsinn des Krieges? Warum die Schrecken der Pandemie? Wie können wir diese Angriffe auf das eigene Leben ertragen?
Der Geist hilft unserer Schwachheit auf – wenn uns die Worte und die Kräfte fehlen, wenn wir nur noch seufzen können, wenn wir einen großen Atemzug Lebensatem benötigen. Um auch dann noch glauben und hoffen und lieben zu können, wenn uns längst nicht alle Dinge zum Besten dienen. Manche geben dem inneren Zweifel nach und verzweifeln an diesen Fragen. Andere fühlen sich getröstet und gestärkt in ihrem Glauben und ihrer Zuversicht. Sind sie die Berufenen, Ausersehenen und Vorherbestimmten?
Denken und glauben wir noch in diesen Kategorien? Als Kinder Gottes, Geschwister Jesu, hat Gott viel in uns längst angelegt auch Bescheidenheit, Demut, Geduld und das unbedingte Vertrauen, geliebt zu sein und getröstet zu werden. Vom ersten Atemzug bis zum letzten getröstet und begleitet vom Heiligen Geist. Geborgen in Gottes Liebe, von ihm geschaffen und ins Leben gerufen und somit längst Berufene.
Karin Bertheau, Pfarrerin in Müncheberg im Land Brandenburg