Predigten des Monats Januar 2021

 

 

Grafik zur Jahreslosung 2021. Grafik: Stefanie Bahlinger
Grafik zur Jahreslosung 2021.
Grafik: Stefanie Bahlinger

Jahreslosung 2021
Jesus Christus spricht: „Seid barmherzig, wie auch euer Vater barmherzig ist!“

Lukas 6,36

 

 

Seid barmherzig wie euer Vater­
Gedanken zur Jahreslosung 2021

Wir Menschen orientieren uns in dem, was wir tun, gerne an dem, was wir an uns selbst durch andere erleben. Manchmal sagen wir: „Wie du mir, so ich dir!“ oder „Wie man in einen Wald ruft, so schallt es heraus!“ oder „Was du nicht willst, dass man dir tu, das füg auch keinem andern zu!“ Es ist wohl so, dass alles Verhalten meines Nächsten zu mir an meinem Verhalten zu ihm hängt. ­Menschen sind einander gleichsam Spiegel, das Verhalten des einen ist im anderen wiederzu­erkennen.

Wer selber in der Lage ist, anderen zu vergeben, wer gerne gibt, wer Mitleid oder Sympathie für seine Mitmenschen hat, der wird ebensolches auch von den anderen erfahren. Wenn ich gute Laune habe und mir das auch anzumerken ist, dann gehen die anderen auch freundlich mit mir um. Wer nur griesgrämig und grantelnd in die Welt schaut, kann von den anderen kaum Zuneigung und Freundschaft erwarten. Ein Lächeln auf dem Gesicht wird gern erwidert. Sauertöpfisches Dreinschauen erzeugt kaum liebevolle Aufmerksamkeit.

Einer, der die Geburtstage seiner Lieben nicht ­vergisst, darf mit Gewissheit auf Glückwünsche zum eigenen Geburtstag hoffen. Wer aus dem Urlaub niemanden schreibt, der darf sich nicht wundern, wenn er nie etwas im Briefkasten findet. Dort wo wir Freundschaften und Beziehungen ­pflegen, dürfen wir immer etwas zurück erwarten.

Manchmal ist das gar nicht so einfach

Wichtig an all diesen Erfahrungen ist, dass stets mein Verhalten dem Verhalten der anderen voraus laufen soll. Im Sinne der Predigt Jesu ist es ganz und gar nicht, sich erst einmal hinzusetzen und zu warten, was wohl die anderen mit mir machen. Umgekehrt ist es. Ich bin aufgefordert auf andere mit offenen Händen und offenem ­Herzen zuzugehen. Dabei soll ich von dem geleitet werden, was ich selber von anderen erwarte.

Manchmal ist das aber gar nicht so einfach. Offenheit und Sympathie für meine Mitmenschen kommt nicht unbedingt von alleine. Gelegentlich fällt es mir sogar recht schwer, immer liebevoll und herzlich zu anderen zu sein. Da kann eine Verletzung, ein böses Wort, eine falsche Geste ­zwischen zwei Menschen treten und sie soweit auseinander bringen, dass sie nicht mehr ­zusammen kommen, sondern sich in Feindschaft verlieren.

Ich glaube, ich muss erst einmal selbst von der Erfahrung des Geliebtseins her kommen, um andere lieben zu können. Wenn ich weiß, dass ich mit all meinen Schwächen und Fehlern trotzdem geliebt werde, dann kann ich andere lieben.

Mit den Worten unserer Jahreslosung heißt das: Barmherzigkeit erfahren haben.

Seid barmherzig, wie auch euer Vater barm­herzig ist. Gott, unser Vater, liebt jeden Menschen ohne Ansehen der Person. Es gibt niemanden, der ihm nichts wert ist. Darin ist Gott so ganz anders, als wir das können. So eine Erfahrung muss ich erst einmal machen. Gott erbarmt sich meiner, ­lässt mich Erbarmung erfahren, ohne dass ich auch nur andeutungsweise sagen könnte, worin der Grund für sein Erbarmen ist. Ich weiß aber, dass wer solches Erbarmen in seinen Leben lebendig spürt seinen Umgang mit den Nächsten ganz anders lebt und erlebt.

Solche Erfahrungen wünsche ich mir für jeden Menschen. Nicht nur in diesem neuen 2021, ­sondern immer und jederzeit! Die Erkenntnis von Gott geliebt zu sein, auch wenn mich andere ablehnen, lässt uns unser Leben neu sehen und einrichten. So können wir barmherzig sein, wie auch unser Vater im Himmel barmherzig ist!

Thilo Haak, Pfarrer der ­Osterkirchengemeinde, Berlin-Wedding

 

Gott liebt uns wie eine Mutter ihr Kind.
Foto: pixabay

Zum Monatsspruch Januar 2021
Viele sagen: „Wer wird uns Gutes sehen lassen?“ Herr, lass leuchten über uns das Licht deines  Antlitzes!                Psalm 4,7 (L)

Als die „Ökumenische Arbeitsgemeinschaft für Bibellesen“ diesen Vers aus dem vierten Psalm als Monatsspruch für Januar 2021 aussuchte, konnte sie nicht wissen, was im vergangenen Jahr auf uns zukommen würde. Und auch David, der diesen Psalm betete, hatte wohl etwas anderes im Sinn als die „Corona-Pandemie“. Nur zu gern würde ich es lassen, eine Parallele zum Monatsspruch zu ziehen, aber es wäre auch falsch, sie nicht zu sehen.

Ja, es ist so; viele fragen sich in dieser Zeit, wer uns ­Gutes sehen lässt. Sind doch alle Medien: Zeitungen, Radio und Fernsehen voll von den Berichten über die besorgniserregenden Ereignisse bei uns und in der ganzen Welt, über die dramatischen Entwicklungen der Neuinfektionen, der Krankheitsverläufe und Todesfälle, im TV gefolgt von „Spezial- und Sondersendungen“ zu diesem Thema. Gibt es denn gar nichts Gutes zu berichten? Etwa über Genesungen, über Nachbarschaftshilfen, über junge Menschen, die sich um Alte und Einsame kümmern, über die Entwicklung eines wirksamen Impfstoffes und endlich über den Rückgang der Pandemie.

Wie leuchtet mir denn heute Gottes Angesicht in der aktuellen Situation meines Lebens? Vergleichsweise kann es so sein: Wenn sich eine Mutter mit strahlendem Lächeln über ihren weinenden Säugling beugt und er dann aufhört zu ­weinen und sich beruhigt. So finde ich Gutes für mich bei dem, der auch zu dir sagt: „Fürchte dich nicht!“ und „Ich bin bei euch alle Tage bis ans Ende der Welt!“. Dir kann das Gebet Aarons für die Zukunft Halt geben; denn: „Der Herr segnet dich und behütet dich; der Herr lässt sein Angesicht leuchten über dir und ist dir ­gnädig; der Herr erhebt sein Angesicht über dich und gibt dir Frieden“.

Hans-Jürgen Grundmann, Berlin

 

 

Der zwölfjährige Christus im Tempel
Foto: wikipedia

Der zwölfjährige Jesus im Tempel, 1879 von Max Liebermann.
Foto: wikipedia

Kluger Knabe

Predigttext zum 3. Januar 2021 2.
2. Sonntag nach dem Christfest: Lukas 2, 41–52

Und alle, die ihm zuhörten, verwunderten sich über seinen Verstand und seine Antworten. Und er sprach zu ihnen: Warum habt ihr mich gesucht? Wisst ihr nicht, dass ich sein muss in dem, was ­meines Vaters ist?

Lukas 2,47+49

„Jesus wird flügge“ – so könnte ein Titel für den Predigttext an diesem Sonntag lauten. „Flügge werden“: das sagt man zu den ersten selbständigen Geh- und Flugversuchen von Menschen am Beginn der Pubertät. Flugversuche auf der Suche nach sich selbst: Wer bin ich? Wem kann ich vertrauen? Woran soll ich mich orientieren? Auch der zwölfjährige Jesus vollführt eine solche erste Absetz- und Suchbewegung, allerdings ist sie nicht staksig und vage. Der begabte Knabe weiß schon recht genau, was er will und wo er suchen muss.

Was ist passiert? Die ganze Familie ist von Nazareth hinaufgezogen nach Jerusalem, denn es ist Pessach, das Fest, an dem alle jüdischen Familien den Auszug aus der ägyptischen Sklaverei acht Tage lang im Tempel zu Jerusalem feiern. Die Stadt „brummt“, ist voller Menschen, Vieh und allerlei Handelswaren, denn es gehört zu den religiösen Pflichten im Judentum, zu Pessach nach Jerusalem zu ziehen, um im Tempel zu beten, Opfer darzubringen und um vor dem Angesicht Gottes zu feiern, also fröhlich zu sein.

Max Liebermann malte 1879 den „Zwölfjährigen Jesus im Tempel unter den Schriftgelehrten. Die grauhaarigen Männer als Berliner Juden vom Ende des 19. Jahrhunderts und Juden aus dem Osten hören Jesus aufmerksam wohlwollend zu. Sie begeben sich hinunter auf die Ebene des Kleinen, sitzen am Fuß der Treppe, steigen vom Katheder. Die unheroische Darstellung Jesu empfanden damals viele Münchener als Blasphemie. Die heftigen antisemitischen Angriffe gegen Liebermann fanden ihren Höhepunkt in einer zweitägigen Debatte im Bayrischen Landtag. Liebermann schrieb 1915: „Die ekelhaften Anwürfe von Anti- und Semiten, als ich den Christus im Tempel gemalt hatte, haben mich für immer von biblischen Stoffen abgehalten. Wenn einer Maler ist, soll er nach der Qualität seiner Bilder beurteilt werden, nicht aber nach seiner Nase.“

Leider erfahren wir nicht genau, was und wie Jesus gelernt hat, in Nazareth und in Jerusalem, überhaupt lässt uns unsere Tradition weitgehend im Stich, uns den lernenden Christus zu zeigen. Und er hat gelehrt. Er „nimmt an Weisheit zu“ (Vers 52), und sein erster öffentlicher Auftritt als Rabbi ist dann auch in Nazareth, in einer Synagoge am Schabbat – Morgengottesdienst (Lukas 4).

Der Text des Liedes „Gottes Sohn ist kommen“ (EG 5) erdet den Gottessohn. „Er kommt auch noch heute und lehret die Leute“, so beginnt die zweite Liedstrophe. Und wie er lehrt: nicht mit ausgestrecktem Zeigefinger und von oben herab, sondern „in armen Gebärden“, also voller Demut; und nicht allein und für sich, sondern für alle Menschen.

Pfarrer Günter Dimmler, Königsee/Thüringen

 

Menschen mit offenem Ohr und Herzen erzählen anderen von Gott. Foto: pixabay

 Menschen mit offenem Ohr und Herzen erzählen anderen von Gott. 
Foto: pixabay

Wirkt in der Welt

Predigttext zum 10. Januar 2021
1.Sonntag nach Epiphanias: Römer 12,1–8

Ich ermahne euch nun, liebe Brüder, durch die Barmherzigkeit Gottes, dass ihr eure Leiber hingebt als ein Opfer, das lebendig, heilig und Gott wohlgefällig ist. Das sei euer vernünftiger Gottesdienst. Und stellt euch nicht dieser Welt gleich, sondern ändert euch durch Erneuerung eures Sinnes, damit ihr prüfen könnt, was Gottes Wille ist, nämlich das Gute und Wohlgefällige und Vollkommene.

Römer 12,1+2

Es ist ein ungewöhnlicher Altar. Er hat keine Kerzen, keine wohlausgewählten Blumen, ja nicht mal ein Tisch ist zu sehen. Dafür aber gibt es eine Altargabe, eine lebendige Opfergabe: Es ist ein Mensch, der mit offenem Ohr und Herzen von Gott erzählt; es ist ein Mensch, der anderen zur Seite steht, wenn Not am Mann ist; oder es ist einer, der aufsteht und das Wort erhebt angesichts des Unrechts vor seinen Augen. Der Altar mit einer solchen Opfergabe steht nicht in einer Kirche, sondern mitten in der Welt. Sein Motiv kann ­variieren, weil auch die Begabungen der Gläubigen variieren.

Dieser Altar ist weniger leicht als heiliger Ort erkennbar, und doch wird auch, manchmal gerade an ihm Gott spürbar. Weniger durch die besondere Atmosphäre des Ortes, als vielmehr durch jenen Menschen, jene lebendige Opfergabe, die im Geist Christi lebt und wirkt. „Stellt euch nicht dieser Welt gleich“, nein, aber wirkt in ihr – nach den Maßstäben, die euch in Christus anvertraut sind. Denn durch sie seht ihr in jedem Menschen einen Teil des Heiligen – jenes Heiligen, der unser aller Schöpfer ist. Und das Wort, sein Wort, ist auch an diesem Altar mit uns: „Wir sind ein Leib in Christus.“

Franziska Roeber, Pfarrerin in der Kirchengemeinde Mariendorf, Berlin

Gott geht mit ins neue Jahr. Foto: pixabay
Gott geht mit ins neue Jahr. Foto: pixabay

Der Glaube reicht

Predigttext zum 17. Januar 2021 2. Sonntag nach Epiphanias: Johannes 2,1–11

Jesus spricht zu ihnen: Füllt die Wasserkrüge mit Wasser! Als aber der Speisemeister den Wein kostete, der ­Wasser gewesen war, …, ruft der Speisemeister den Bräutigam und spricht zu ihm: Jedermann gibt zuerst den guten Wein und, wenn sie trunken sind, den geringeren; du aber hast den guten Wein bis jetzt zurückgehalten. Das ist das erste Zeichen, das Jesus tat. Es geschah zu Kana in Galiläa, und er offenbarte seine Herrlichkeit. Und seine Jünger glaubten an ihn.                

Johannes 2,7–11

Schön, die Jünger glaubten ihm. Wer glaubt mir, wenn ich predige? Jesus hat mit seinen Beweisen und Wundern gerade erst angefangen. Wasser in Wein verwandeln auf der Hochzeit zu Kana. Das erste Wunder von sieben im Johannesevangelium.

Ich frage mich, was war vorher? Gingen die ­Jünger einfach so mit Jesus mit? Haben die Jesus, als er sie berief, nicht geglaubt? Oder tat Jesus Wunder nur, weil seine ­Mutter dabei war und die Jünger zweifelten? Das beschäftigt mich.

Schön wäre es, wenn Jesus heute mal schnell ein Wunder vollbringen würde. So dass es alle sehen und probieren können wie der Schankmeister. Ich würde dann sagen: „Siehste, habe ich euch schon immer gesagt, da ist Jesus!“

Wo bleibt der Glaube dann? Der freiwillige Glaube von Herzen? Der Glaube, zu dem, was man nicht sehen kann? Nicht sehen nur spüren und empfinden kann? Nein, ich sage es war gut so, damals in Kanaan. So konnten viele den Herrn erkennen, ihm glauben und dieses auch aufschreiben für uns.

Nein, ich brauche keinen Jesus, der sich mit einem Sack voll Wundern beweisen muss. Seine gespürte Anwesenheit, der geschenkte Glaube reicht für mich. Darum bitte ich lieber, dass die Predigthörer sonntags Jesus und auch uns ihren Glauben schenken. Und wenn das so ist, dann ist das Jesusbeweis genug und sollte uns genügen.

Titus Schlagoswsky, Prädikant, Nastätten

 

Rut vertraut Noomi

Predigttext zum 24. Januar 2021 3. Sonntag nach Epiphanias: Rut 1,1–19a

Rut antwortete: Bedränge mich nicht, dass ich dich verlassen und von dir umkehren sollte. Wo du hingehst, da will ich auch hingehen; wo du bleibst, da bleibe ich auch. Dein Volk ist mein Volk, und dein Gott ist mein Gott.

Rut 1,16

Eine Schwiegertochter liebt ihre Schwieger­mutter so sehr, dass sie bei ihr bleiben will, auch wenn deren Sohn, ihr Mann, schon gestorben ist. Die Ältere denkt zunächst an das Wohl der Jüngeren. Sie entlässt sie aus der Pflicht, für eine Witwe zu sorgen. Eine ­liebevolle Geste. Sie schenkt ihnen die Freiheit, weil sie möchte, dass es ihnen gut geht. Eine Schwiegertochter, Orpa, nimmt das Angebot an und geht zurück zu ihrer Familie. Die Moabiterin Rut aber zieht mit Noomi mit, als diese sich wieder aufmacht in die Heimat Bethlehem. Von dort war sie sie einst mit ihrem Mann vor einer Hungersnot ins Land der Moabiter geflohen. Rut geht mit, weil sie dem Gott der Noomi vertraut. Und weil sie erleben will, wo es hin geht, wenn man diesem Gott vertraut.

Bethlehem in Juda, das ist die kleine Stadt, aus der König David und Jesus kommen werden. Rut, eine Moabiterin, wird dort durch ihren Fleiß das Herz des jüdischen Mannes Boas gewinnen und ihren Sohn Obed gebären. Dieser ist der Großvater vom wichtigsten König der Israeliten: David. Somit ist Ruth Davids Urgroßmutter. Damit war eine der vier Urgroßmütter von David keine Israelitin, sondern eine Ausländerin. Und ausgerechnet ihre Geschichte wird in der Bibel genauer geschildert.

Damit nicht genug: Die Mutter des Boas war die Prostituierte Rahab, die den Kundschaftern zu Josuas Zeiten Unterschlupf gewährte, sie vor den Häschern beschützte und zur Belohnung bei der Vernichtung Jerichos verschont blieb. Und diese beiden Frauen – Rahab und Rut – waren in direkter Linie mit Jesus verwandt. Gott war sich nicht zu schade, eine Prostituierte und eine Ausländerin für seinen Heilsplan mit zu nutzen.

Sibylle Sterzik, Berlin

 

Verklärung Christi, 1872, Karl Bloch.  Foto: Wikipedia
„Transfiguration“ by Carl H. Bloch, Danish Painter, 1834-1890. Oil on Copper Plate. Public domain. Source: www.carlbloch.com.

Was ist Wahrheit?

Predigttext zum 31. Januar 2021 Letzter Sonntag nach Epiphanias: 2. Petrus 1,16–19(20–21)

Denn wir sind nicht ausgeklügelten Fabeln gefolgt, als wir euch kundgetan haben die Kraft und das ­Kommen unseres Herrn Jesus Christus; sondern wir haben seine Herrlichkeit selber gesehen. 

2. Petrus 1,16

Das ist die Wahrheit“, oder besser noch als Frage „Was ist die Wahrheit?“, so sagen und fragen die Menschen seit allen Zeiten. Dahinter steckt die Erfahrung, wie viele Unwahrheiten, Verführungen und Lügen es gibt, die in die Irre führen. Jesus sagte: „Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben!“ Das glaubt unser Glaube gewiss. Aber dieser Gewissheit muss er immer wieder vergewissert werden. Dieser Aufgabe nimmt sich unter anderem der Verfasser des Zweiten Petrusbriefes an.

Dieser Brief entstand erst in der ersten Hälfte des zweiten Jahrhunderts. Ein anderer schreibt unter dem Namen des Petrus. Welche Wahrheit aber steht in Frage? Die Wahrheit der Rede von der Kraft und dem Kommen Christi. Die Welt in der die Menschen lebten, an die dieser Brief gerichtet ist, war voll von selbsternannten Heilspredigern, falschen Propheten, Wahrsagern und ideologischen Verführern. Überall war eine andere Wahrheit zu vernehmen. Ein Markt der Heilsideologien und völlig vergleichbar mit dem, was mir heute begegnet. Und für die junge Christengemeinde war es nicht einfach, sich in diesem Markt der möglichen Wahrheiten zurechtzufinden.

Das ist heute noch ganz genau so.

Diesen vielen selbst gemachten Wahrheiten steht die eine Wahrheit Gottes gegenüber. Auf einem Berg tritt Jesus zwischen die beiden großen Propheten des Bundes Gottes mit seinem Volk Israel, zwischen Mose und Elia. Gottes Stimme ertönt vom Himmel und ein zweites Mal nach der Taufe wird die wahre Sohnschaft und Gottheit Jesu Christi bestätigt: „Dies ist mein lieber  Sohn, an dem ich Wohlgefallen habe.“

Die Frage nach der Wahrheit entscheidet sich an der Person Jesus Christi. Das wichtigste Zeugnis christlichen Glaubens im letzten Jahrhundert, die Barmer Theologische Erklärung von 1934, hat dieses so zusammengefasst: Jesus Christus spricht: „Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben; niemand kommt zum Vater, denn durch mich.“

Jesus Christus, wie er uns in der Heiligen Schrift bezeugt wird, ist das eine Wort Gottes, das wir zu hören, dem wir im Leben und im Sterben zu vertrauen und zu gehorchen haben. Wir verwerfen die falsche Lehre, als könne und müsse die Kirche als Quelle ihrer Verkündigung außer und neben diesem einem Worte Gottes auch noch andere Ereignisse und Mächte, Gestalten und Wahrheiten als Gottes Offenbarung anerkennen.

Was ist aber, wenn ich mich selbst vom Predigttext in Frage stellen lasse? Wenn ich meine Überzeugungen der Frage aussetze, ob sie der an Jesus Christus orientierten Wahrheit standhalten? Eine Frage, die zeigt, dass das vermeintlich Selbstverständliche eben doch nicht selbstverständlich ist. Deswegen endet der Predigttext auch nicht mit der Erinnerung der Verklärung Jesu, sondern mit einer Ermahnung: Um so fester haben wir das ­prophetische Wort, und ihr tut gut daran, dass ihr darauf achtet als auf ein Licht, das da scheint an einem dunklen Ort, bis der Tag anbreche und der  Morgenstern aufgehe in euren Herzen.

Das Erinnern der wahr gewordenen göttlichen Verheißung lässt mich fest an den Prophezeiungen des Wortes Gottes bleiben. Und gleichzeitig bin ich verpflichtet, dessen Licht immer wieder neu in meinem Herzen aufgehen zu lassen.

Glaube will gelebt werden. Er muss sich ständig prüfen lassen, ob er noch im Licht der Verheißung steht. Eine Aufgabe, die mir an jedem Tag neu gestellt ist, bis unser Herr kommt. Das ist die Wahrheit!

Thilo Haak, Pfarrer der Ostergemeinde Berlin-Wedding