
Monatsspruch Februar 2021
Freut euch darüber, dass eure Namen im Himmel verzeichnet sind! Lukas 10,20 (E)
Beim Aufräumen im Pfarrbüro fiel mir zufällig ein Familien-Stammbuch in die Hand. Ein bekannter Name: Welk, der Schriftsteller Ehm Welk fiel mir ein. Ich blätterte los. Gleich auf der ersten Seite las ich die Eheurkunde von Karl August Welk, einem Straßenbahnschaffner, geboren 1892 in Glauschdorf im Kreis Oststernberg, und Juliana Johanna Ludwig, 1891 in Berlin geboren. Sie heirateten am Reformationstag 1914. In dem Jahr brach Deutschland den Ersten Weltkrieg vom Zaun. Merkwürdigerweise starben beide Eheleute am selben Tag, dem 27. Januar 1944, dreißig Jahre nach ihrer Eheschließung kurz vor Ende des Zweiten Weltkrieges. Als Sterbeort war Berlin-Friedrichshagen angegeben, mein Wohnort.
Mein Interesse war vollauf geweckt. Was mag nur zwischen Hochzeit mit Mitte Zwanzig und dem Sterbedatum Anfang Fünfzig geschehen sein? Ein Sohn war noch angegeben, und eine Ausbürgerungsurkunde einer Tochter aus DDR-Zeiten lag noch zwischen den Seiten. Weiter hinten handschriftliche Einträge aus den Jahren zwischen 1914 und 1919. Die Namen sind verzeichnet, aber wer kennt die Lebensgeschichten? Wem könnte dieses Stammbuch etwas bedeuten, diese Menschen wichtig sein?
„Freut euch darüber, dass eure Namen im Himmel verzeichnet sind“, lesen wir Jesu Worte im Lukasevangelium. Auch wenn so ein Familienstammbuch verloren geht oder niemand mehr da ist, der mit den Namen etwas verbindet, unser Leben hat ein zu Hause bei Gott. In seiner Ewigkeit und seiner Güte sind unsere Namen gegenwärtig. Keiner geht verloren, sondern jede und jeder von uns hat eine ewige Heimat im Himmel. Das tröstet. Wie ein Baum, der tiefe Wurzeln ins Erdreich getrieben hat, so lässt Gott uns bei sich wohnen. Die Namen hat er schon mal notiert. Schon jetzt, wo wir noch hier leben, sind wir bei ihm aufgehoben. Und einst dann im großen himmlischen Festsaal
Sibylle Sterzik, Pastorin, Berlin
Auf guten Samen kommt es bei der Aussaat an.
Foto: pixabay
Saat und Frucht
Predigttext zum 7. Februar 2021
Sexagesimä: Lukas 8,4–8(9–15)
Es ging ein Sämann aus zu säen seinen Samen. Und indem er säte, fiel einiges an den Weg und wurde zertreten, und die Vögel unter dem Himmel fraßen’s auf. 8 Und anderes fiel auf das gute Land; und es ging auf und trug hundertfach Frucht. Da er das sagte, rief er: Wer Ohren hat zu hören, der höre! Das aber auf dem guten Land sind die, die das Wort hören und behalten in einem feinen, guten Herzen und bringen Frucht in Geduld.
Lukas 8,5.8.15
Wer sät den Samen aus – und welchen Samen? Warum nur fallen mir beim Lesen des Textes sofort Sorgen und Nöte von Menschen ein? Zeichen der Zeit? Man sieht immer und überall Probleme und Schwierigkeiten. Ich denke an Landwirte, die befürchten, dass es auch in diesem Jahr wieder zu trocken sein wird und der Same nicht aufgeht. Eltern, deren Kinder nun Jugendliche geworden sind, fragen sich, ob der Same ihrer Erziehung standhält. Ein Blick in die Gesellschaft zeigt ein Auseinanderbrechen.
Welcher Same könnte Menschen beieinander halten? Ich war fast vierzig Jahre Pfarrer in einer Gemeinde. Ich kann jede Aussage dieses Gleichnisses bestätigen. Ja, genau so ist es.
Wer sät den Samen aus? Wir, wir selbst, also Menschen wie du und ich, wir säen Samen aus.
Welchen Samen? Alles, was seinen Ursprung im Evangelium hat, unsere Worte, was wir tun und wie wir leben. Denn in diesem Samen liegt die Kraft Gottes, deshalb dieses hundertfach.
Soll ich meine Bedenken über die Sorgen und Nöte nun streichen? Nein, ich tue es nicht, sie stimmen ja. Ich stelle ihnen aber den Samen gegenüber und dessen Wirksamkeit.
Wer sät den Samen aus – welchen Samen?
Jesus möchte verdeutlichen, was „Reich Gottes“ ist. Er spricht von seinem Wort und damit von sich selber. Denn: er ist in seinem Wort gegenwärtig. Das ist ein Geheimnis des „Reiches Gottes“. Er sät und verschenkt sich selbst in diesem Samen und wir sind der Boden.
Welcher Boden von den vier verschiedenen Bodenarten sind wir? Ich habe in Gemeindegruppen oft gefragt, was sind wir für ein Boden? Die Antwort war immer gleich, alle vier. Mal mehr der eine, mal mehr der andere. Das zu erkennen ist schmerzlich, es ist eine Passionserfahrung, ich – harter Boden; Dornen und Disteln wachsen auf.
Was ist zu tun? Das ist zu tun: Dem Evangelium, den Worten von Jesus Christus weiten Raum geben, ganz, ganz weiten Raum. Dann könnte Frucht entstehen, nicht Betriebsamkeit, nicht Erfolg, sondern gewachsene Frucht, bei jedem Menschen je eigene Frucht.
Und wenn wir einmal ganz traurig werden, weil wir Disteln und Dornen nicht verdrängen können, was dann? Nun, er kommt ja wieder, der, der den richtigen Samen in unser Herz, in unsere Gedanken, in unsere Gefühle hinein säen kann. Der Landwirt sät jedes Jahr neu. Er kommt, ganz bestimmt, denn er ist ja der, der aussät.
Manfred Koloska, Pfarrer im Ruhestand der Berliner Stadtmission, Berlin

Gerechtes tun
Predigttext zum 14. Februar 2021
Estomihi: Jesaja 58,1-9a
Ist nicht das ein Fasten, an dem ich Gefallen habe: Lass los, die du mit Unrecht gebunden hast, lass ledig, auf die du das Joch gelegt hast! Gib frei, die du bedrückst, reiß jedes Joch weg! Dann wird dein Licht hervorbrechen wie die Morgenröte …
Jesaja 58,6+8a
Die Passionszeit steht unmittelbar bevor. Wir gehen hinauf nach Jerusalem, das Leiden Jesu und das Bedenken dieses Weges unseres Herrn und Bruders ans Kreuz, steht unmittelbar bevor. Dann beginnt die Fastenzeit. Fasten bedeutet unter einem bestimmten Verzicht Raum und Zeit und Offenheit für die Nähe zu Gott zu bekommen. Was sonst von eigenen Wünschen und Ablenkungen besetzt ist, soll Zeit werden, sich der Weisung Gottes für seine Menschen zu öffnen. Solches im besten Sinne fromme Fasten gab es zu allen Tagen der Geschichte des Glaubens. Schon in biblischer Zeit. Unser Bibeltext führt uns 2500 Jahre zurück.
Der Prophet Jesaja fragt seine Gemeinde und fragt damit auch uns: Genügt es, ein frommes Ritual zu üben, sich den Traditionen hinzugeben? Genügt es zu fasten, den Gottesdienst zu besuchen, seinen Teil in die Kollekte zu legen? Ist es genug zeitweise Gott das Seine zu geben und sich dann wieder eigenen Bedürfnissen hinzugeben?
Der Prophet sagt ganz klar: Es genügt nicht. Er wählt als Beispiel dafür das Fasten. Es genügt ihm nicht, wenn diese Üblichkeit keinen Bezug zum Alltag der Menschen hat. Fasten als Ritual zu befolgen reicht nicht hin, sagt Jesaja im Auftrag Gottes, wenn im Übrigen das Gottesverhältnis im Argen liegt. Wenn das Alltagsleben eine andere Sprache spricht als das Glaubensleben. Wenn das Ritual zu einer leeren Hülle geworden ist. Die Glaubwürdigkeit der Frommen steht auf dem Spiel.
Darum macht der Prophet die selbstgerechten Kläger zu Angeklagten. Er zitiert sie vor den Thron Gottes. Und Gottes Worte prasseln hart herab auf die, die sich mit ihrem Fasten rechtfertigen wollen. Knallhart hält der Prophet uns Frommen den Spiegel vor. Und es ist nur recht, dass diese Anklage sich bis in unseren Sonntag hinein Gehör verschaffen will. Unsere Glaubwürdigkeit steht auf dem Spiel, vor uns selbst, und vor Gott.
Gott will, dass wir die Gemeinschaft des Glaubens leben, dass sich unser Glauben im Leben äußert. Er will aus uns Menschen machen, aus denen Licht hervorbricht wie die Morgenröte, heile Menschen aus denen Heilung ungerechter und unsozialer Zustände hervorgeht. Ja, Gerechtigkeit wird vor uns hergehen und die Herrlichkeit Gottes wird unser Leben begleiten Dazu ist es nötig sich auf die Weisung Gottes zu besinnen. Gott zeigt uns den Weg auf, der ihm wohlgefällig und der menschlichen Lebensgemeinschaft von Nutzen ist.
Gerechtigkeit, Freiheit, Umverteilung und Frieden, davon spricht der Prophet. Es sind die „Werke der Barmherzigkeit“, die hier auch einen politischen Impuls aussenden. Obwohl wir sie aus dem Munde eines Mannes hören, der vor 2500 Jahren gelebt hat, verstehen wir genau, was gemeint ist. Die Intensität der Prophetenworte macht deutlich, wie Gottes Wort sich an jeden Einzelnen wendet. Aus der Anrede im Plural ist ein Du geworden. Gott spricht mich ganz persönlich und mit meinen eigenen Möglichkeiten an. Vielleicht kann ich die kommende Fastenzeit zu einem ersten Schritt nutzen. Das Fasten beginnt im Denken. Nehmen wir uns Zeit dazu: Eine Viertelstunde am Morgen sich besinnen mit einem Bibelwort, oder im Supermarkt einmal stehen bleiben und die Fülle meditieren, oder ein Projekt finden, dem ich konkrete Hilfe zuwenden kann – Gelegenheiten zum Nachdenken bieten sich genug. Das Tun muss folgen.
Thilo Haak, Pfarrer der Ostergemeinde Berlin-Wedding

Verrat schmerzt
Predigttext zum 21. Februar 2021
Invokavit: Johannes 13,21–30
Als Jesus das gesagt hatte, wurde er erregt im Geist und bezeugte und sprach: Wahrlich, wahrlich, ich sage euch: Einer unter euch wird mich verraten. 22 Da sahen sich die Jünger untereinander an, und ihnen wurde bange, von wem er wohl redete.
Johannes 13,21+22
Invokavit – der lateinische Name dieses ersten Passionssonntags bezieht sich auf Psalm 91. Der endet mit der Zusage Gottes: Er hat mich angerufen, darum will ich ihn erhören; ich bin bei ihm in der Not, ich will ihn herausreißen und zu Ehren bringen. Das Abendessen von Jesus mit seinen Jüngern führt endgültig zum letzten Countdown.
Jesus wird erregt im Geist, er hat eine Eingabe, eine Vision, eine Erkenntnis: „Unter uns ist ein Verräter! Er wird mich an die feindseligen Behörden ausliefern.“ Was bedeutet das für jemanden, der plötzlich weiß, dass ein Mensch, dem er vertraut hat, zum Verräter wird? Das ist doch furchtbar. Die Jünger müssen erkennen: Es ist Judas, der fühlt sich ertappt. Jesus konfrontiert ihn mit dem Hinweis: „Was Du tust, das tue bald!“ Judas flieht aus der Gemeinschaft.
Was ist sein Antrieb? Neid, Gier nach Geld, enttäuschte Liebe?
Jeder von uns kennt wohl auch solche Situationen. Menschen, die man für seine Freunde hielt, machen eine Kehrtwende, machen einen lächerlich, sind plötzlich voller Bosheit. Auch mir ist das passiert: Wir haben zusammen studiert,
wir haben zusammen gelernt, gestritten und dann haben wir uns aus den Augen verloren. Jeder ist seinen Weg gegangen, und manchmal haben wir uns wieder getroffen. Der eine hat völlig unvermutet einen bösen Brief geschrieben. Der andere hat sich von seiner Familie getrennt und war neidisch, weil ich seiner Meinung nach in glücklichen Verhältnissen lebte. Das habe ich bei manchen Begegnungen schmerzlich erfahren müssen. Da war dann bei mir tiefe Traurigkeit und Unverständnis.
Furchtbar, dass Judas zum Verräter wird. Er führt dann im Garten Gethsemane die Soldaten, die Jesus gefangen nehmen.
Verrat ist etwas Entsetzliches. Vertrauen wird enttäuscht. Liebe zurückgewiesen. Schnöder Vorteil in Geld, andere Vergünstigungen oder auch enttäuschte Liebe sind der Antrieb zur Intrige. Jesus weiß das. Er schreckt nicht zurück. Er weiß, was sein Schicksal ist, er nimmt es an, spätestens dann im Garten Gethsemane kurz vor der Gefangennahme. Im Nachhinein sage ich: Gott sei Dank. Denn sein Schicksal ist unsere Erlösung. Sein Tod und seine Auferstehung sind unsere Rettung. Wir können uns in Freude und Leid an ihn wenden. Gott sei Dank. Jesus sei Dank, dem Heiligen Geist, sei Dank, der Jesus Klarheit schenkt.
Er ruft mich an, darum will ich ihn erhören; ich bin bei ihm in der Not, ich will ihn herausreißen und zu Ehren bringen, sagt Gott in Psalm 91. Das hat er mit seinem Sohn wahrhaftig getan. So traurig es ist. Auch dieses Ereignis ist notwendig, es ist über alle Zeiten hinweg der Grund für unser Heil!
Paul Geiß, Pfarrer im Ruhestand, Berlin

Weinberg des Herrn
Predigttext zum 28. Februar 2021
Reminiszere: Jesaja 5,1–7
Wohlan, ich will von meinem lieben Freunde singen, ein Lied von meinem Freund und seinem Weinberg. Mein Freund hatte einen Weinberg auf einer fetten Höhe. Und er grub ihn um und entsteinte ihn und pflanzte darin edle Reben. Er baute auch einen Turm darin und grub eine Kelter und wartete darauf, dass er gute Trauben brächte; aber er brachte schlechte.
Jesaja 5,1–2
Das Lied vom unfruchtbaren Weinstock handelt vom Zorn Gottes, aber Jesaja erzählt es so, als sei es mein Zorn, als sänge es von meiner Wut. Über viele Jahre unterstütze ich die Witwe mit ihren beiden Kindern. Sie tat mir in der Seele leid, als alles anfing. Ich beerdigte ihren Mann. Ich erinnere mich an die Kinder im Konfirmandenunterricht.
Langsam begann sie, an meinen Bemühungen herum zu nörgeln. Die Lehre für den Sohn und der Job für die Tochter, die ich vermittelte, waren nicht das Richtige. Eine Stelle für Mutter lehnte sie in letzter Minute ab. Zwei Wohnungen, die ich ihr besorgte, kamen für sie nicht in Frage. Es war zum Mäusemelken! Ich denke, Betreuer*innen kennen solche beratungsresistenten Familien. Zuletzt lehnte sie den optimalen Haushaltsplan ab, den ich für sie entworfen hatte.
Aber jetzt ist Schluss mit lustig! Ich stehe voll und ganz auf der Seite des Gottes, gespielt von einem Weinbauern, von dem Jesaja erzählt. Was sollte er oder ich noch mehr tun an meinem Weinberg, an der Witwe mit ihren Kindern, das ich nicht an ihr getan habe? Warum hat sie schlechte Trauben gebracht, während ich auf gute Ergebnisse wartete? Ich erwartete Gemeinschaftstreue, und sieh’ da Trauergemeinschafft (die Bibel in gerechter Sprache). Ich harrte auf Rechtsspruch und siehe da Rechtsbruch (Kommentar von 0tto Kaiser). Ich wartete auf Gerechtigkeit, siehe, da war Geschrei über Schlechtigkeit (Martin Luther). Der Tenor aller Übersetzungen ist der gleiche: Gott möchte nicht mehr. Er will nicht mehr. Er kann nicht mehr. Und ich möchte auch nicht mehr mit meiner nervenden Witwe.
Wissen Sie, was ich tun werde? Ich werde den Kontakt zu den widerspenstigen Leuten abbrechen! Ich werde den Acker liegen lassen, den ich so lange beackert habe. Sollen sie sehen, wie sie allein zurecht kommen. Soll Israel ohne seinen Gott klarkommen, der es solange unter seine Fittiche nahm. Reize nicht den Zorn des geduldigen Mannes!
Ich war soweit gekommen in meiner Philippika gegen die Familie, als mir bewusst wurde, dass die Witwe einen Klumpfuß mit sich herumschleppt, und sie zuletzt auch noch ihren geliebten Hund verlor. Auch ihren erwachsenen Kindern geht es gesundheitlich nicht gut. Dazu kam, dass mir ein Vers aus dem Johannesevangelium zum Sonntag Reminiscere (Erinnere dich!) nicht aus dem Sinn ging: „Gott hat seinen Sohn nicht in die Welt gesandt, dass er die Welt richte, sondern, dass die Welt durch ihn gerettet werde“ (Johannes 3,17).
Ich begreife, dass ich nicht ich es bin, der sie retten kann. Anstatt zu warten, dass Christus wirkt, grätschte ich dazwischen und fand mich ganz toll in der Rolle als Witwentröster. Nicht wenige Pfarrer gefallen sich darin. Viel zu lange wollte ich „unserer Witwen Helfer sein“ (EG 281, 2) anstatt hinzuschauen, wer ich sein kann und wer nicht. Wahrscheinlich hoffte sie, ich würde sie heiraten.
Letztendlich entlud sich mein Zorn nicht gegen sie, sondern gegen mich selbst. Ich versuchte, den lieben Gott zu spielen. Doch im Weinberg des Herrn bin ich nur eine kleine Nummer. Ich bin nicht der große Zapano bei Witwen und Waisen. Ich muss endlich mit ihr und ihr die Wahrheit sagen. Ich muss aufpassen, dass ich Gott den Vortritt lasse und im Gespräch, im Gebet mit ihm bleiben. Reize nicht den Zorn Gottes!
Pfarrer i.R. Eckart Wragge, Berlin