
Zum Monatsspruch Dezember 2020
Brich dem Hungrigen dein Brot, und die im Elend ohne Obdach sind, führe ins Haus! Wenn du einen nackt siehst, so kleide ihn, und entzieh dich nicht deinem Fleisch und Blut! Jesaja 58,7 (L)
Die dem Wochenspruch nachfolgenden Verse 9 und 10 gehen noch viel weiter: „Wenn du in deiner Mitte niemand unterjochst und nicht mit Fingern zeigst und nicht übel redest, sondern den Hungrigen dein Herz finden lässt und den Elenden sättigst, dann wird dein Licht in der Finsternis aufgehen, und dein Dunkel wird sein wie der Mittag.“
Wie steht es damit? Sind wir bereit, von unserem Überfluss mit Freude abzugeben und das Wenige, was mancher hat, zu teilen? Einem Obdachlosen einige Euros zu geben und zu sagen: „Kauf’ dir was“, ist schnell erledigt. Aber nachzufragen, wie er in solch eine Situation gekommen ist, fällt schon schwerer. Und überhaupt: Soll ich mich mit dem schmutzigen und müffelnden Kerl abgeben? Sollte ich ihm bei mir daheim ein Bad zurichten, ihm saubere Kleidung und satt zu essen geben? Dann werde ich ihn vielleicht nicht wieder los? Wo soll das hinführen? Sollte ich mit ihm die entsprechenden Ämter aufsuchen, ihn dort unterstützen?
Aber, habe ich nicht genug mit mir selbst zu tun? Sollte ich mich lieber um meine Tochter oder meinen Sohn kümmern, die oder der sich mir seit Jahrzehnten entzieht? Und wie oft soll ich ihnen noch ein Zeichen meiner Vergebung senden? Fragen über Fragen. Und Antworten? Trotzdem! Nicht aufgeben! Dranbleiben! Und in allem mit Gottes Hilfe und Beistand rechnen, denn er selbst ist die Antwort.
Karl-Heinz Eberhardt Schäfer, Leipzig
Geduldige Fürsorge.
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Hoffnung ermöglicht Warten
Predigttext zum 6. Dezember 2020 2. Advent: Jakobus 5,7-8 (9-11)
Hintergrund der Mahnung zur Geduld ist das Ausbleiben der Parusie, also der Wiederkunft Jesu Christi. Die ersten Christen hatten sie zu ihren Lebzeiten erwartet. Als Jakobus diesen Brief schrieb, waren seit Jesu Tod und Auferstehung bereits einige Jahrzehnte vergangen. Immer mehr Christen starben dahin. Viele zweifelten. Lohnte es noch, an Jesus zu glauben? Ja, meint Jakobus und ermutigt zu weiterer Langmut, wie Luther übersetzt hat. Die frühen Christen haben darauf gehört. Als Jesu Erdenzeit drei Jahrhunderte zurück lag, schrieben sie sein Wiederkommen ins Glaubensbekenntnis. Dort hat es bis heute seinen festen Platz, auch wenn die meisten Christen ein Ende der Welt eher von einer durch Menschen verursachten Katastrophe erwarten als vom Erscheinen Jesu. Am zweiten Sonntag im Advent sind jedes Jahr sein Kommen und das Jüngste Gericht Thema des Gottesdienstes.
Geduld ist freilich auch sonst wichtig und hilfreich. Ich kenne die Versuchung, mit einem Machtwort ein langes Hin und Her zu beenden. Ich weiß aber auch, dass das selten zu einer befriedigenden Lösung führt. Selbst da, wo Eile notwendig ist wie beim Klimaschutz, bringt Ungeduld eine Sache in der Regel nicht voran, weil sie andere überfordert und nicht ernst nimmt. In vielen Lebenslagen ist Ausdauer nötig, um erfolgreich zu sein. Sie gibt es nicht ohne Geduld. In einer Warteschlange mach ich mich mit Ungeduld schnell unbeliebt. Geduld und Ungeduld sind ansteckend.
Im Umgang mit Kindern spüre ich bald, ob sie geduldige Eltern haben. Sie sind ausgeglichener als andere.
Mir ist der Hinweis wichtig, dass es auch Grenzen der Geduld geben muss. „Mut kennt auch der Mameluck. Gehorsam ist das Christen Schmuck“, hat Friedrich Schiller gedichtet. Damit beschrieb er ein obrigkeitliches Denken, das evangelische Kirchen in unserem Land stark geprägt hat. Von Frauen und Untertanen, Kindern und anderen Abhängigen wurde Leidensbereitschaft erwartet. Das haben wir inzwischen weithin als Irrweg erkannt, dennoch bleibt Langmut eine christliche Kardinaltugend.
Langmut ist eine Frucht von Glaube, Hoffnung und Liebe. Wenn ich glaube, dass Gott mich liebt und umsorgt, fällt es mir leichter, schwierige Zeiten auszuhalten. Ich vertraue darauf, dass auch aus Leiden ein Segen erwachsen kann. Hoffnung ermöglicht Warten. Wenn ich nicht mehr damit rechnen kann, dass sich etwas ändert, wird aus Geduld ein müdes sich Abfinden mit dem Schicksal. Liebe schließlich führt zu geduldiger Fürsorge. Immer wieder erlebe ich mit Bewunderung, wie sich Menschen um einen pflegebedürftigen Angehörigen kümmern, obwohl diese Aufgabe ihre Kräfte übersteigt.
Leopold Esselbach, Generalsuperintendent i.R., Neuruppin
Gottes Licht strahlt in der Dunkelheit.
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Licht, das uns besucht
Predigttext zum 13. Dezember 2020 3. Advent: Lukas 1,67–79
Gelobt sei der Herr, der Gott Israels, denn er hat besucht und erlöst sein Volk. Lukas 1, 68
Auf Besuch bereitet man sich vor. Wenn Besuch kommt, wird noch mal gewischt und Staub gesaugt, der Kühlschrank gefüllt und wenn alles gerichtet ist kann der Besuch schon kommen. Große Freude zum Fest, wenn dann alle lieben Menschen endlich da sein werden.
Auch in der Bibel wird das Christfest vorbereitet. Bei Lukas lesen wir den Lobgesang des greisen Zacharias, der die Geburt seines nicht mehr erwarteten Sohnes Johannes durch die ebenfalls betagte Ehefrau, einer Cousine Marias, in höchsten Tönen preist: „Du Kindlein, wirst ein Prophet des Höchsten heißen, denn du wirst dem Herrn vorangehen und seinen Weg bereiten“ (Lukas 1,76).
Wunder- und kunstvoll komponiert Lukas die Geschichten von Johannes und Jesus zusammen. Johannes wird als Täufer den Weg Jesu mit seiner Predigt von Umkehr und Taufe zur Vergebung der Sünden vorbereiten. Er wird Raum schaffen für die Herrlichkeit des Herrn. Johannes bereitet Jesus den Weg, dem „aufgehenden Lichtes aus der Höhe, das uns besucht, denen erscheint, die in tödlicher Finsternis sitzen“ (Lukas 1,78f).
Und was, wenn niemand zu Besuch kommen darf? Was, wenn es wieder zu tiefen Einschränkungen im Umgang von Menschen zu Mensch kommt, wie wir es Ostern erleben mussten? Während ich das hier schreibe, lassen die steigenden Zahlen der mit Covid-19 Infizierten Schlimmes befürchten. Dann werden wir auf die lieben Menschen an unserer Seite verzichten müssen, das wird weh tun, aber der eigentliche Besuch wird kommen! Christus, das Licht aus der Höhe und das will vorbereitet sein.
Land auf, Land ab sind zahllose Menschen rührig und unterwegs, um das Christfest auch unter schweren Bedingungen erlebbar und erfahrbar zu machen. In diesem Jahr eine noch intensivere Herausforderung, das Christfest vorzubereiten. Und vielleicht ruft der Advent gerade jetzt in besonderer Weise mit dem Täufer Johannes zur Umkehr und zur Buße – zum Verlassen alter, lieb gewonnener Wege, die – seien wir ehrlich – oft auch schon etwas ausgetreten waren.
Wer zum Christusfest zu Besuch kommen wird, wissen wir nicht. Doch wir werden vorbereitet sein, denn eines wissen wir ganz genau: ER kommt zu Besuch, Jesus, dem Johannes den Weg zu uns bereitet hat – Jesus – das ist nun wirklich eine Gute Nachricht – sein Licht stahlt in der Dunkelheit des Todes, des Leides und der Einsamkeit. ER steht auch dir zur Seite, still, oft unerkannt, dass er treu dich leite an der lieben Hand – auf dem Weg des Friedens. Amen
Michael Dürschlag, Pfarrer in Michendorf-Wildenbruch

Zeit des Wartens
Predigttext zum 20. Dezember 2020 4. Advent: 1. Mose 18,1–2.9–15
Da sprach der Herr zu Abraham: Warum lacht Sara und spricht: Sollte ich wirklich noch gebären, nun, da ich alt bin? 14 Sollte dem Herr etwas unmöglich sein? Um diese Zeit will ich wieder zu dir kommen übers Jahr; dann soll Sara einen Sohn haben. 1. Mose 18,13+14
Es ist lange her, dass in einer Adventszeit so sehnlich gehofft und erwartet wurde wie in dieser. Auf einmal kommt das Wort Erlösung nicht mehr nur in Predigten vor. Und das ungeduldige „Wie oft müssen wir denn noch schlafen?“ empfinden nicht nur Kinder im Warten auf den Heiligen Abend. Hoffnung und der Wunsch nach Erlösung, eine riesengroße Sehnsucht nach dem Ende der Pandemie und der Rückkehr zu einem normalen Leben verbindet in dieser Adventszeit alle Generationen miteinander. Junge und Alte, Kinder und Greise und alle dazwischen sind gleich betroffen. Es gibt es niemanden, der nicht aktiv wartet.
Es ist schon lange her, dass Sara und Abraham noch einmal aufgebrochen waren. Sie sollten endlich bekommen, was sie sich schon lange von Herzen wünschten: eine neue Heimat und Kinder. Es war mutig von Gott, dies einem 75-Jährigen und seiner nur wenig jüngeren Frau zu versprechen. Jetzt, fast ein Vierteljahrhundert später, erneuert Gott sein Versprechen noch einmal. Und es ist kein Wunder, dass Abraham vor Lachen umkippt: „Da fiel Abraham auf sein Angesicht und lachte und sprach in seinem Herzen: Soll mir mit hundert Jahren ein Kind geboren werden?“ (1. Mose 17,17). Das sagt er aber nur zu sich. Gott gegenüber versucht er, die Fassung zu bewahren und das bittere Lachen herunterzuschlucken. Weiße Haare und kein Kind, was soll noch kommen?
Aber dann kommt Besuch. Und jetzt kommt Leben in die beiden. Sie beeilen sich, weil die Gäste ja warten. Abraham muss schlachten, Sara muss kochen und backen. Ein kleines Festessen. Sie haben schon so lange gewartet. Ein Warten, dem die Hoffnung längst abhanden gekommen ist.
Dann essen die Gäste. Ein Moment der Ruhe und in die Stille hinein eine Frage. Wo ist Sara? Abraham, der sich aufgemacht in ein neues Land, ist ja nicht alleine gekommen. Heimat, die könnte er auch allein finden, aber Zukunft, Kinder gibt es nur zusammen mit seiner Frau. Und unglaublich, was der Besuch dann verspricht. Es wird diese Zukunft geben. Das Warten wird ein Ende haben. Etwas, was sich alle Wartenden, alle, die hoffen, von ganzem Herzen wünschen, in diesen Tagen mehr als je zuvor: Dass einer sagt, wann es endlich soweit ist. Der Besuch sagt: Ein Jahr noch, nur ein kurzes Jahr, und Sara wird ein Kind haben und die beiden eine Zukunft.
Sara lacht. Und Abraham sagt jetzt gar nichts mehr. Die beiden haben doch schon genug zu tragen an ihrem vergeblichen Warten. Dieses Versprechen stößt sich hart an der Wirklichkeit. Abraham schweigt und Sara lacht.
Ist denn irgendetwas unmöglich für den Herrn? Die Frage fällt in das Schweigen unter dem Baum in der Mittagshitze, in die Jahre des Wartens, in die Resignation. Die Frage fällt in die Wirklichkeit. Sie fällt in jedes Leben, an diesem Nachmittag im Hain Mamre und in die Adventszeit des Jahres 2020. Immer wieder in der Geschichte Gottes mit seinen Menschen gibt es das, was Abraham und Sara erlebten: Jahre des Wartens, Zeiten ganz ohne Hoffnung, eine Wirklichkeit, die alle Möglichkeiten zu ersticken droht. Von Gott kommt ein Versprechen. Es stößt sich an der Wirklichkeit, es muss Hindernisse überwinden und Rückschläge aushalten. Wir erleben etwas davon in unserer Zeit. Aber wir warten. Und lassen uns die Hoffnung nicht abhandenkommen. Denn ein Kind ist unterwegs.
Katrin Oxen, Pfarrerin der Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche, Berlin-Charlottenburg
Die Weißen unserer Welt
Predigttext zum 27. Dezember 2020 1. Sonntag nach dem Christfest: Offenbarung 7,9–12(13–17)
Diese sind es, die aus der großen Trübsal kommen und die ihre Kleider gewaschen haben und sie weiß gemacht haben im Blut des Lammes. Offenbarung 7,14
Liebe Schwestern und Brüder, wir wissen alle, dass sich Blutflecken echt schwer aus weißer Wäsche rauswaschen lassen. Das Bild aus der Johannes-Offenbarung ist absurd – und soll es wohl auch sein. Bei Gott ist alles anders. Auch wenn es unvorstellbar ist, können Leiden, Krankheit, Verfolgung, Flucht und Hunger ein Ende haben. Diese Worte des Trostes brauchten die Gemeinden in Kleinasien, an die Johannes, der Seher, von der Insel Patmos aus schreibt.
Das Bild vom Thron ist wie ein Bühnenbild in der Inszenierung einer Oper mit dem Thron Gottes in der Mitte, den Engeln um den Thron mit dem Lamm, den Ältesten und dann der Masse von Weißgekleideten mit Palmwedeln. So etwas denken sich Regisseure aus, auch die, die Krippenspiele auf die Altarbühne, freie Bühnen oder in Filme bringen. Jede Figur hat ihre Bedeutung und das Ganze ist eine Botschaft an das Publikum beziehungsweise an die Adressaten des Briefes.
Der Regisseur hier möchte sichergehen, dass das Publikum die Botschaft verstanden hat. Deshalb lässt er einen Schauspieler von der Bühne aus sein Publikum fragen: „Weißt du, wer die Weißen sind?“ Und er erklärt dem Publikum, was auf der Bühne zu sehen ist. „Die Weißen sind die, die bisher leiden mussten.“ Und damit begreifen die Zuschauer in den letzten Reihen, wer gemeint ist. Es sind die vom römischen Kaiser Verfolgten in den Gemeinden in Kleinasien selbst und die Menschen aus allen Völkern, Kulturen und Religionen, die Opfer von Verfolgung sind! Der Text ist hier universell und gilt für die Beleidigten und Verfolgten bis heute, aus allen Nationen, Völkern und Sprachen.
Der Schauspieler erklärt auch uns, wer die „Weißen“ in der Vision sind. Das sind nicht unbedingt die Weißen in unserer Welt. Im Gegenteil. Es sind die, die wegen ihrer Hauptfarbe verfolgt sind. Es sind die Opfer der Shoah und die Menschen, die heute unter Menschenrechtsverletzungen leiden.
Das Lamm macht das Unmögliche. Es wäscht Blut aus weißen Kleidern. Es erhebt die Beleidigten in die Nähe Gottes. In diesem Bühnenstück ist die Welt verdreht und auf den Kopf gestellt.
Das ist auch die Botschaft von Weihnachten, dass nicht die in den schönen Häusern und Palästen Christus bei sich haben, sondern die ohne Herberge und die Verfolgten. Vielleicht werden die Flüchtlinge von heute dann die Gastgeber von Morgen sein. Wir sollten anfangen, das Bühnenbild des Sehers Wirklichkeit werden zu lassen und den Menschen in Trübsal zur Seite stehen. Amen
Beatrix Spreng, Pfarrerin in Joachimsthal.
Sie erhielt im Oktober 2020 für ihr Engagement gegen Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit den Brandenburger Freiheitspreis 2020.
Advent – Zeit des Wartens. Foto: pixabay