Aktuelle Ausgabe August 2022

 

Das Logo zum Jubiläum 125 Jahre Frohe Botschaft, mit dem Schriftzug, der Zahl und einer Taube für den Heiligen Geist„Das Beste im Briefkasten“
125 Jahre Frohe Botschaft
Monika Ehrlich, Ursula Barthel und Dr. Günter Lummitsch schreiben, was ihnen an der Frohen Botschaft wichtig ist, die sie seit Jahren lesen.
Leserinnen und Leser 

 

Neue Serie: Menschen
Sie kämpfte für den Glauben und die Rechte der Frauen
Vor 80 Jahren starb Edith Stein im Konzentrationslager.
Von Hans-Jürgen Grundmann, Berlin

Ein Porträt von Edith Stein
Porträt von Edith Stein als Studentin in Breslau, um 1914 (kleines Bild). wikipedia commons

 

 

 

 

 

 

 

 

Ein Nachruf

Porträt von Eckhart Wragge
Pfarrer Eckart Wragge (1942–2022) starb im Alter von 80 Jahren. Viele Predigten schrieb er für die Frohe Botschaft. Foto: privat


Zugewandter Familienpfarrer
Zehlendorf und die Frohe Botschaft trauern um Pfarrer „Ecki“ Wragge
Von Pfarrer in Ruhe Kurt Kreibohm, Berlin

 

 

 

 

 

 

Der Alptraum muss enden

Krystiam Cholewa lehnt an seinem Auto.
Krystian Cholewa beschäftigt sich mit dem Schreiben von Artikeln über die Situation von ­Menschen mit Behinderung. Das ist ihm auch in der Ukraine wichtig. Foto: pixabay/privat

Krystiam Cholewa (35) lebt mit einer Beeinträchtigung. Ihn beschäftigt sehr, was in der Ukraine passiert.
Dazu hat er seine Gedanken aufgeschrieben.

 

 

 

 

Lebensfragen
Lohnt es sich, mit 92 Jahren noch einmal umzuziehen?
Es antwortet: Generalsuperintendent Hans-Ulrich Schulz, Potsdam

 

 

 

 

Predigten des Monats August 2022

 

 

Ein einsamer Baum am Wasser
Ein Baum wächst sein gesamtes Leben. Foto: pixabay

 

 

 

 

 

 

 

 

Monatsspruch August 2022

„Jubeln sollen die Bäume des Waldes vor dem HERRN, denn er kommt, um die Erde zu richten.“ 

 1. Chronik 16,33 (E)

Große freudige Ereignisse sollten immer mit Jubel verbunden sein. Das große Ereignis, auf das der Monatsspruch uns weist, ist der Einzug der Bundeslade nach Jerusalem. König David ist die Rückkehr der Lade zu verdanken. Das Erste Buch der Chronik setzt ein Danklied Davids in diesen Zusammenhang. Jubeln sollen nicht nur die Menschen zur Ehre Gottes, die ganze Schöpfung wird miteinbezogen in den großen Lobpreis: Das Meer brause, das Feld sei fröhlich und die Bäume sollen jauchzen.

Ein wenig neidisch höre ich diese Worte. Wir haben es ja nicht so mit dem Jubeln. Das höchste Berliner Lob heißt bekanntlich „Da kann man nicht meckern!“ Auch sprühen unsere Gottesdienste nicht gerade vor Freude. Wenn wir die schönen Loblieder singen, dann meist verhalten. Ganz anders Davids Danklied. Es heißt sogar, der König habe getanzt, als er die Lade nach langer Zeit ihres Aufenthaltes im Feindesland endlich nach Jerusalem bringen konnte.

Warum tun wir uns so schwer, unsere Freude über Gott zum Ausdruck zu bringen? Ich weiß es nicht, aber ich wünschte es mir anders. Gottesdienste mit einer Freude zu feiern, dass sich die Balken biegen, die Wände wackeln und der Boden bebt, möchte ich einmal erleben. Denn dass wir einen Gott haben, der uns liebt, der uns durchs Leben trägt und jeden Tag aufs Neue beschenkt, das sollte doch allemal ein Anlass zum Jubel sein. So wie einst die Bundeslade nach Jerusalem einkehrte, so kehrt jeden Tag bei uns die Freude über Gott ein. Darum lasst uns jubeln und fröhlich sein.

Pfarrer Thilo Haak, Berlin

 

 

Eine Frau legt Lebensmittel in einen Einkaufswagen.
„Laib und Seele“ – Lebensmittelspenden für ­Menschen in Not. Foto: pixabay

Der letzte Groschen

Predigttext zum 7. August 2022
8. Sonntag nach Trinitatis:

Markus 12,41–44

Und er rief seine Jünger zu sich und sprach zu ihnen: Wahrlich ich sage euch: Diese arme Witwe hat mehr in den Gotteskasten gelegt als alle, die etwas eingelegt haben. Denn sie haben alle etwas von ihrem Überfluss eingelegt; diese aber hat von ihrer Armut ihre ganze Habe eingelegt, alles, was sie zum Leben hatte.

Markus 12,43+44

War das klug? Wie konnte sie nur? Die Hälfte hätte doch auch gereicht! Nein, es musste der gesamte Inhalt ihrer Geldbörse sein. Wovon will sie nun alles Lebensnotwendige bezahlen?

In Deutschland zählen über dreizehn Millionen Alleinstehende zu den Einkommensarmen. Die ­Pandemie, die Inflation, der Krieg in der Ukraine sorgen dafür, dass sie sowie Hartz-IV-Empfänger mit ihrem Einkommen nicht mehr auskommen.

Die staatlichen Finanzhilfen orientieren sich von Beginn an nicht an dem, was die Menschen brauchen. Die Tafeln, die mit der günstigen Abgabe von „unverkäuflichen“ Lebensmitteln hier einsprangen, erhalten zum einen weniger Spenden, kämpfen mit höheren Betriebskosten für Strom und Benzin.  Zum anderen ist aber die Zahl der Menschen, die auf Unterstützung angewiesen sind, erheblich gestiegen. Wir haben es mit einer ­wachsenden Armut zu tun, die auch auf Menschen der Mittelschicht übergreift.

Die Witwe tut etwas nach ökonomischen Maßstäben Unvernünftiges – und das unter den Augen Jesu, der im Übrigen nicht mit ihr direkt in Kontakt tritt. Er sitzt neben dem Opferkasten und hindert sie nicht daran, den gesamten Inhalt ihrer Geldbörse in den Opferkasten zu leeren. Den Jüngern gegenüber macht er sie sogar zum Vorbild. Für die Witwe scheint es keine andere Möglichkeit zu geben, ihre Dankbarkeit für Gottes Nähe und Begleitung in ihrem Leben zu zeigen. Zugleich muss ihr Vertrauen zu Gott grenzenlos sein, dass sie schon über die Runden kommen, nicht verhungern wird.

Kleine Renten, Hartz IV reichen nicht aus, am gesellschaftlichen Leben teilzuhaben – nicht für gesunde Ernährung, nicht mal für den Kinobesuch. Die Geldbörse am Sonntag in den Kollektenkorb zu leeren, so wie die Witwe es getan hat, ist unvernünftig – wahrscheinlich heute noch unvernünftiger als zur Zeit Jesu.

Und dennoch: die Witwe provoziert uns dazu, die Welt eben auch anders wahrzunehmen, in unseren Augen Unmögliches für möglich zu halten. Haben wir die Hoffnung aufgegeben, dass die Welt besser werden könnte, die Güter unserer Erde gerechter verteilt, kein Mensch mehr hungern, an Unterernährung sterben muss? Wir leben in einer Zeit, in der uns der Glaube an die Verheißungen Gottes verloren zu gehen droht.

Indem die Witwe ihre letzten Groschen in den Opferstock legt, ermutigt, ja mahnt sie uns, die Hoffnung nicht aufzugeben, dass Gottes Wollen für unsere Welt, ­Nächstenliebe, Menschenliebe überhaupt, sich eines Tages durchsetzen werden.

Kirchenrätin Susanne Kahl-Passoth, Pfarrerin im Ruhestand, Berlin

 

Christus und die Ehebrecherin, Gemälde von Giovanni Francesco Barbieri, besser bekannt als Guercino, um 1621 (Dulwich Picture Gallery).
Foto: unbekannt, PD, gemeinfrei, wikimedia commons

Stapel mit Geld, ein grünes Pflänzchen wächst daraus
Eine Gabe ist Geschenk und Verpflichtung
zu gleich, auch mit Geld kann man Gutes tun.
Foto: pixabay

Der Zauberpfennig

Predigttext zum 14. August 2022,
9. Sonntag nach Trinitatis:
Matthäus 25,14-30

Da sprach sein Herr zu ihm: Recht so, du guter und treuer Knecht, du bist über wenigem treu ­gewesen, ich will dich über viel setzen; geh hinein zu deines Herrn Freude! … Denn wer da hat, dem wird gegeben werden, und er wird die Fülle haben; wer aber nicht hat, dem wird auch, was er hat, genommen werden.

Matthäus 25,21+29

Wer möchte nicht gerne Erfolg haben?! Aber welches ist der richtige Weg dahin? Jesus sagt in seinem Gleichnis „Von den anvertrauten Talenten“ (Matthäus 25,14–30): Jedem Menschen hat Gott Gaben gegeben, Talente geschenkt. Es kommt nur darauf an, sie zu entdecken und verantwortlich mit ihnen umzugehen.

Ein einfacher Müllmann erhält das Bundesverdienstkreuz dafür, dass er Jahrzehnte lang zerbrochene und in den Müll geworfene Spielsachen aussortiert und abends liebevoll instandgesetzt hat, um sie dann an bedürftige Kinder zu verschenken. Statt seinen dreckigen Berufsalltag zu beklagen und seine einsamen Abende bei Bier und Fern­sehen zu verbringen, tut er das Schönste, wozu Menschen überhaupt auf der Welt sind: Er macht kaputte Dinge heil und Not leidenden Menschen eine Freude. Viele Menschen haben in unserem Land geflüchteten Erwachsenen und ihren Kindern aus der Ukraine geholfen. Dabei konnten sie die Erfahrung machen: Es ist nicht nur ein Geben, sondern auch ein Nehmen.

„Love is something if you give it away, you end up having more. It’s just like a magic penny.“ Das heißt auf Deutsch: „Liebe ist etwas Eigenartiges: Wenn du sie weitergibst, hast du am Ende mehr davon. Liebe ist ein Zauberpfennig.“ Dieses Lied stammt aus einem Buch mit neuen Liedern (Martin Gotthard Schneider: Sieben Leben möchte ich haben. Verlag Ernst Kaufmann Lahr 1975). Im Evangelium zum heutigen Sonntag erzählt Jesus in seinem Gleichnis von einem solchen Zauberpfennig. Er lehrt seine Jünger, worauf es im Leben ankommt, wenn man es von seinem Ende her betrachtet und nicht von den aktuellen Bedürfnissen und Ideen des Menschen, die bekanntlich unbeständig sind wie der Wind.

Den drei Knechten wird ein sehr großes Vermögen anvertraut. Es sind 288 Kilogramm Silber; denn ein Zentner Silbermünzen wiegt etwa 36 Kilogramm. Was sollen die Knechte damit anfangen? Jesus erklärt in seinem Gleichnis, weshalb er sein Vermögen so ungleichmäßig verteilt: Er gibt jedem Knecht nach seinen Kräften und nach seiner Tüchtigkeit. Diese Art der Verteilung ist also nicht ungerecht, sondern fürsorglich; denn niemand soll über seine Gebühr belastet werden.

Man kann dies als Hinweis auf die vielerlei Gaben Gottes verstehen, die Menschen zuteil werden. Wir sind nicht alle gleich begabt und gleich belastbar. In unserer Zeit der Gleich­macherei fühlen sich mache überfordert und abgehängt. Ein Blick in die Natur zeigt uns, wie mannigfaltig die Tier- und Pflanzenwelt in ihren Erscheinungen und Kräften ist. Christlich gedacht heißt es, die Mannigfaltigkeit auch in der Menschenwelt anzuerkennen. Der Apostel Paulus sieht diese Mannigfaltigkeit auch in der Gemeinde Jesu Christi, wenn er den Römern schreibt: „Wie wir an einem Leib viele Glieder haben, aber nicht alle Glieder dieselbe Aufgabe haben, so sind wir viele ein Leib in Chris­tus, aber untereinander ist einer des andern Glied, und haben verschiedene Gaben nach der Gnade, die uns gegeben ist“ (Römer 12,4–6).

Ich wünsche Ihnen viel Erfolg beim Entdecken Ihrer Gaben. Und Kraft und Freude bei allem Einsatz. Gott segne Sie!

Günter Dimmler, Pfarrer im Ruhestand in Königssee/Thüringen

 

Mose mit den Gesetzestafeln in der Hand
Moses und die Gesetzestafeln
Rembrandt van Rijn, 1659. Foto: wikipedia

Ein starkes Band

Predigttext zum 21. August 2022
10. Sonntag nach Trinitatis:
Matthäus 5,17–20

Ihr sollt nicht meinen, dass ich gekommen bin, das Gesetz oder die Propheten aufzulösen; ich bin nicht gekommen aufzulösen, sondern zu erfüllen. Denn wahrlich, ich sage euch: Bis Himmel und Erde vergehen, wird nicht vergehen der kleinste Buchstabe noch ein Tüpfelchen vom Gesetz, bis es alles geschieht. Wer nun eines von diesen kleinsten ­Geboten auflöst und lehrt die Leute so, der wird der­ Kleinste heißen im Himmelreich; wer es aber tut und lehrt, der wird groß heißen im Himmelreich. Denn ich sage euch: Wenn eure Gerechtigkeit nicht besser ist als die der Schriftgelehrten und Pharisäer, so werdet ihr nicht in das Himmelreich kommen.

 Matthäus 5,17–20

Wer von den Jüngerinnen und Jüngern zu Jesus Zeiten glaubte, er werde das Gesetz oder die Propheten auflösen, hatte sich getäuscht. Jesus muss wohl solche Erwartungen gespürt haben, denn er stellt klar: „Bis Himmel und Erde vergehen, wird nicht vergehen der kleinste Buchstabe noch ein Tüpfelchen vom Gesetz, bis es alles geschieht.“ Jesus spricht hier zu seinem Jüngerkreis, aber es geht zunächst darum, wie er seine eigene Sendung versteht. Er ist Jude, beschnitten wie alle jüdische Knaben, dem Gesetz des Mose verpflichtet. Dessen Gültigkeit hebt er nicht auf. Im Gegenteil: Ganz klar widerspricht er dem Ansinnen, dass er gekommen sei, Tora und ­Propheten abzuschaffen.

Jesus kam, um das Gesetz zu erfüllen. Und während er predigte, zeigte er Juden und Nicht­juden, wie das geht. Er predigte die „bessere Gerechtigkeit“, Gnade vor Recht. Davon redete er selbst nicht nur. Er lebt die „bessere Gerechtigkeit“. Beim Essen mit den Zöllnern, beim Schutz der Ehebrecherin, bei der Samariterin am Brunnen und so viel mehr. Und er zeigte seinen Glaubensgeschwistern noch etwas: „Es gibt eine bessere Gerechtigkeit als jene derer, die schon unseren Respekt verdienen, weil sie leidenschaftlich Gott und sein Gebot höher achten als alles sonst – der

Pharisäer.“ So beschreibt es die Theologin Christina Maria Bammel 2013 in einer Predigt zu diesem Bibeltext. „Man kann die Gesetze kennen und dennoch die Gerechtigkeit verfehlen.“

Um das Verhältnis von Christen und Juden geht es an diesem 10. Sonntag nach Trinitatis, der deshalb auch Israelsonntag genannt wird. Antisemitismus und Hass haben viel Leid über jüdische Menschen gebracht. Dem hat die christliche Kirche nicht laut und vernehmlich und schützend widersprochen. Der Völkermord an den Jüdinnen und Juden lastet deshalb auch auf uns Christinnen und Christen. Es ist immer wieder ein Wunder, dass Juden und Christen dennoch heute miteinander danach fragen, wie wir unseren Glauben in den Herausforderungen dieser Zeit leben können.

Zunächst einmal dadurch, dass wir einander mit Achtung begegnen. Das Volk Israel bleibt ­Gottes erwähltes Volk. Durch den Juden Jesus sind Christen in diesen Bund mit hineingenommen. Gottes Gebot, wie es am Sinai offenbart wurde, ist für Juden und für Christen die Orientierung für das Leben. Ein starkes Band der Gemeinsamkeit! Einen neuen Bund, so weissagt es der Prophet Jeremia, will Gott in die Herzen schreiben, um sie zu verwandeln (31,31–34), sodass Menschen ihm freiwillig nachfolgen. Gott „schreibt“, indem er unser Innerstes berührt und verwandelt. Gott „schreibt“, indem er Jesus sendet und seinen Geist. Mit dieser Aussicht, lässt sich das Gebot Gottes getrost praktisch leben.

 Sibylle Sterzik, Berlin

I

David sah Batseba beim Baden zu und verliebte sich.hl sie zu sich und ließ Uria umbringen.
David sah Batseba, die Frau des Urias. Er befahl sie zu sich und ließ Uria umbringen. Jan ­Massys: David und Bathseba, Öl auf Leinwand (1562). Foto: Henry Townsend, CCO, wikimedia commons

Kein Herausreden

Predigttext zum 28. August 2022
11. Sonntag nach Trinitatis:
2. Samuel 12,1-10.13-15a

Da geriet David in großen Zorn über den Mann und sprach zu Nathan: So wahr der HERR lebt: der Mann ist ein Kind des Todes, der das getan hat! Dazu soll er das Schaf vierfach bezahlen, weil er das getan und sein eigenes geschont hat. Da sprach Nathan zu David: Du bist der Mann! Warum hast du denn das Wort des HERRN verachtet, dass du getan hast, was ihm missfiel? Uria, den Hetiter, hast du erschlagen mit dem Schwert, seine Frau hast du dir zur Frau genommen, ihn aber hast du umgebracht durchs Schwert der Ammoniter.

 2. Samuel 12,5.6.9

„Was der Welt am meisten fehlt, sind Menschen, die sich mit den Nöten anderer beschäftigen“, schrieb der Theologe und Arzt im zentralafrikanischen Spital Lambarene, Albert Schweitzer (1875–1965).

Unrecht ist geschehen. Und großes Leid wurde verursacht. Als Außenstehender könnte man wegschauen. Wegschauen und schweigen, denn was geht es mich an? Nicht so dieser Eine. Schuld muss benannt werden! Erst recht, wenn sie unschuldiges Menschenleben kostete. Aber wie spricht man Schuld an? Wie bringt man einen anderen dazu, seine Schuld einzugestehen? Schuldzuweisungen sind leicht. Und bei anderen Schuld zu erkennen und als solche zu benennen, erst recht.

So kommt dieser Eine nicht mit Vorwürfen, sondern mit einer Geschichte. Geschichten berühren. Und sie helfen, die Perspektive zu wechseln. Der andere steigt mit ein, hört geduldig zu – und ist entsetzt von der Grausamkeit des Reichen. Und dann kommt der entscheidende Satz. Was ist, wenn die Schuld, die ich bei anderen so einfach und klar benennen konnte, plötzlich die eigene ist: „Du bist der Mann!“ Nicht irgendein anderer, ich selbst bin es. – „Herr, bin ich’s?“ ­werden die Jünger später fragen. In uns allen steckt das Potenzial zum Bösen.

Was auf die Schuldzuweisung folgt, ist eines wahren Königs würdig: kein Herausreden, keine Bagatellisierung, keine Selbstrechtfertigung. Dafür ein schlichtes Bekenntnis: Ja, ich bin schuldig geworden. Es war meine Entscheidung, durch die das Böse geschah. Die Sünde vor Gott realisiert sich auch in der Beziehung zu unseren Mitmenschen.

Mich berührt diese Perikope, gerade in diesen Tagen, in denen im Zuge des Krieges Frauen wieder schutzlos Gewalttaten ausgesetzt sind. Und auch ohne Krieg wissen wir vor allem seit der Kampagne „#metoo“, wie sehr sexuelle Übergriffe und Gewalt den weiblichen Alltag bestimmen können. Und die meisten von ihnen bleiben unentdeckt, aus Ohnmacht oder Angst. Auch Batseba kam während all der Ereignisse, die ihr Leben so hart veränderten, fast gar nicht zu Wort. Umso mehr braucht es Fürsprecher und Verteidiger. Menschen, die die Not eines anderen zur eigenen machen und aktiv werden, in Wort und Tat.

Davids Reaktion ist geradezu paradigmatisch. Und doch zeigt sie, dass selbst göttliche Vergebung das Vergangene nicht ungeschehen macht und auch die Folgen nicht verhindert. Sie hilft aber neu anzufangen. David bekommt bei dem, was er nun tut, Gott wieder in den Blick. Und er sieht jetzt auch Batseba und ihre Situation. Das Wort des HERRN zu achten, ist und bleibt unser aller Aufgabe, ob betroffen oder außenstehend.

Franziska Roeber, Pfarrerin im Evange­lischen Kirchenkreis Lichtenberg-Oberspree

 

Predigten des Monats Juli 2022

 

 

Jeder Tag, der mit dem Sonnenaufgang beginnt,
ist kostbar. Foto: pixabay

 

 

 

 

 

 

 

 

Monatsspruch Juli 2022

„Meine Seele dürstet nach Gott, nach dem lebendigen Gott.“

                Psalm 42,3 (L=E)

Ein Gebetsruf aus den Psalmen, dem Gebetsbuch der Bibel, für mich eine Morgen-Bitte: Hier bin ich und ich rufe zu dir, mein Herr und mein Gott: Du bist ein lebendiger Gott! Du kennst meinen Leib, meine Seele und meinen Geist. Du weißt um meine Anspannung, das Richtige zu tun und zu sagen. Meine Gefühle vertrocknen, vor dir kann ich meine Lustlosigkeit, meine Angst vor jedem neuen Tag, nicht verstecken. Stille meinen Durst nach neuem Leben, erfülle mich mit ­deiner Kraft.

Ich schreie meine Bitten gerade jetzt anlässlich des ­Ukraine-Krieges, aber auch der weltweiten Katastrophen und Hungersnöte in Friedensgebeten zu Gott! Gott ist lebendig! Er hört zu seiner Zeit. Wenn ich mich von ihm gehört fühle, beginnt für mich eine neue Zeit: Ich werde berührt von ­seinem Frieden und lebe in Versöhnung! Ich erkenne die ­vielen Hände, die in Gemeinschaft verbunden sind. Ich lebe im heute! Ich kann neu hoffen und sehe Aufgaben für mich. Ich freue mich auf mein Leben und bin neugierig auf jede Begegnung!

Mein Tag, der mit dem Sonnenaufgang beginnt und mit dem Vogelgesang am Abend endet, ist wertvoll. Ich danke mit dem Psalmbeter Psalm 42,9: „Am Tage sendest du, Herr deine Güte, und des Nachts singe ich dir und bete zu dem Gott meines Lebens.“ Deine Schöpfung „dürstet“ nach Erlösung. Herr, erbarme dich. Du bist ein lebendiger Gott.

Rosemarie Reuter, Berlin

Die Verbindung mit Gott erneuern. Foto: pixabay

Umkehr zur Lebensfreude

Predigttext zum 3. Juli 2022
3. Sonntag nach Trinitatis:

Hesekiel 18,1-4.21-24.30-32

Wenn aber der Ungerechte sich abkehrt von all seinen Sünden, die er begangen hat, und alle meine Satzungen – spricht der Herr – hält und nach Recht und Gerechtigkeit handelt, wird er am Leben ­bleiben, er muss nicht sterben.

Hesekiel 18,21

Zu Beginn des Textes weist der Prophet ein Sprichwort zurück: „Die Vorfahren essen unreife Früchte, den Kindern aber werden die Zähne stumpf.“ Dazu sagt nach Vers 3 der Herr: „Diese Redensart werdet ihr nicht mehr verwenden in Israel“, und begründet: „Seht, alle Menschenleben gehören mir! Das Leben des Vaters wie das Leben des Sohns. Derjenige, der sündigt, muss sterben!“

Doch dann Vers 21: „Wenn aber der Ungerechte sich  a b w e n d e t  von all seinen Sünden, die er begangen hat, und alle meine Satzungen hält und nach Recht und Gerechtigkeit handelt, wird er am Leben bleiben.“ Dieser Grundsatz wird in Vers 27f. wiederholt.

In Vers 31 heißt es: „Werft all eure Vergehen von euch, mit denen ihr euch vergangen habt, und schafft euch ein neues Herz und einen neuen Geist! Warum denn wollt ihr sterben, Haus Israel? Ich habe keinen Gefallen am Tod dessen, der ­sterben muss! Spruch Gottes des Herrn: Kehrt um und bleibt am Leben!“ Ein Leben ohne Umkehr ist mithin ein Sein zum Tode.

Gott ist die Macht des Lebens – und Wächter über dessen Integrität. So heißt es: „Das Leben dessen, der sündigt, wird sterben.“ Doch er sagt auch: „Ich habe keinen Gefallen am Tod dessen, der sterben muss.“ Von hier zu den beiden Imperativen, mit denen der Text schließt: „Kehrt um und lebt!“

Es gehört zum Leben, dass man sich daran freut. Und unsere Lebensfreude wird gesteigert, wenn sie in dem Lebewesen, das uns begegnet, ihr Gleiches findet. So kommen wir auch Gott näher – seiner Freude an dem Leben, das er geschaffen hat.

Doch es kann auch dazu kommen, dass ein Mensch in seinem Mitmenschen keine Bestätigung des eigenen Lebens empfindet, sondern die Gefahr von dessen Verringerung. Es gelingt ihm nicht, den Anblick des Fremden mit der Empfindung Gottes, des Ursprungs und Elements des Lebens aller, zu verbinden. Dann erkennt Gott, dass er geleugnet wird und dass dieser Mensch begonnen hat, sich von seiner eigenen Lebensfreude zu ­trennen. Daran hat der Herr kein Gefallen.

Somit zu Vers 21 – dem sachlichen Zentrum des Textes: „Wenn aber der Ungerechte sich abkehrt von all seinen Sünden, die er begangen hat, und alle meine Satzungen – spricht der Herr – hält und nach Recht und Gerechtigkeit handelt, wird er am Leben bleiben, er muss nicht sterben.“ Wir sehen: Die Sache unseres Textes ist die U m k e h r  zur Lebensfreude, die Erneuerung der geistigen und emotionalen Verbindung mit Gott, dem Schöpfer und Erhalter unseres Lebens und unserer Welt.

Dr. Lorenz Wilkens, Pfarrer im Ruhestand, Berlin

Christus und die Ehebrecherin, Gemälde von Giovanni Francesco Barbieri, besser bekannt als Guercino, um 1621 (Dulwich Picture Gallery).
Foto: unbekannt, PD, gemeinfrei, wikimedia commons

Recht muss doch Recht bleiben, oder?

Predigttext zum 10. Juli 2022,
4. Sonntag nach Trinitatis:
Johannes 8,3–11

Mose hat uns im Gesetz geboten, solche Frauen zu steinigen. Was sagst du? Als sie ihn nun beharrlich so fragten, richtete er sich auf und sprach zu ihnen: Wer unter euch ohne Sünde ist, der werfe den ersten Stein auf sie. 

                                                                               Johannes 8,5+7

Ist das denn gerecht, was Jesus tut? Hatte diese Frau nicht wirklich den Tod verdient? Moses Gesetz war eindeutig, aber warum haben die Schriftgelehrten und Pharisäer nicht auch den Mann dazu in die Öffentlichkeit gezerrt?

Der Evangelist Johannes bringt es auf den Punkt: Es geht den Gegnern Jesu weder um das Gesetz noch um Gerechtigkeit. Es geht darum, Jesus eine Falle zu stellen. Jesus, dieser Zimmermann, der als großer Lehrer auftritt, – jetzt ­endlich können sie ihm die ultimative Fangfrage stellen! Würde er es etwa wagen, sich gegen das Gesetz Moses zu stellen? Andererseits – konnte er es sich leisten, entgegen seiner Lehre von Liebe und Vergebung zu handeln? Aus der Sicht der geistlichen Führer war dies eine geniale Zwickmühle. Jetzt endlich würden sie ihn als Heuchler entlarven, und – sozusagen als Zugabe, – könnten sie die Ehebrecherin öffentlich steinigen und somit ihre eigene geistliche Führungsposition ­stärken!

Doch ihre Rechnung geht nicht auf! Wie sehr diese eifrigen Gesetzeshüter Jesus auch drängen, er scheint nicht reagieren zu wollen. Hält er sich etwa für wichtiger als Mose? Sie übersehen völlig, dass Mose nur der Überbringer und Gott selbst der Gesetzgeber ist. Sie begreifen nicht, dass Jesus, als Sohn Gottes und quasi Co-Autor des Gesetzes ihnen gerade demonstriert, wozu es tatsächlich gegeben wurde: um Sünder zu überführen und auf Gott hinzuweisen. Genau das tut Jesus.

Vor ihren Augen überführt er die Sünder. Alle. Die Schriftgelehrten sehen nur die offensichtliche Sünde dieser Frau: auf frischer Tat ertappt beim Ehebruch! Jesus aber sieht die verborgene Sünde in ihren Herzen: auf frischer Tat ertappt bei ­Herzlosigkeit, Hinterlist, Selbstgerechtigkeit!

„Wer ohne Sünde ist …“ – das spricht von einer völlig neuen Weise, das Gesetz zu verstehen und anzuwenden. Jesus spricht davon, Sünde zuerst bei sich selbst zu suchen, bevor man über andere urteilt. Jesu Worte bringen zum Nach­denken, hoffentlich auch zur Einsicht, zur Ehrlichkeit, ja, am besten zur Buße! Jedem, der es verstehen will, sagt er: Nur wer ohne Sünde ist, kann Sünder richten. Denn – wer nicht ohne Sünde ist, ist ein Sünder, genauso wie diese Ehebrecherin!

Langsam lehrt sich der Platz. Alle gehen. Zum Schluss steht die Frau allein vor Jesus, vor dem wirklich einzigen, der ohne Sünde ist. Aber er,

der das Recht dazu hätte, will nicht verdammen, sondern von Sünde befreien. Er lässt sie gehen, ohne Strafe, aber mit klarer Anweisung. Voller Barmherzigkeit lässt er Gnade vor Recht ergehen!

Ursula Hecht, Diakonin in CrossWay,
International Baptist Church e.V.,
Berlin

 

 

 

 

 

 

 

Abrams Zug nach Kanaan

Predigttext zum 17. Juli 2022
5. Sonntag nach Trinitatis:
1. Mose 12,1–4a

Und der HERR sprach zu Abram: Geh aus deinem Vaterland und von deiner Verwandtschaft und aus deines Vaters Hause in ein Land, das ich dir zeigen will. Und ich will dich zum großen Volk machen und  will dich segnen und dir einen großen Namen machen, und du sollst ein Segen sein. Ich will ­segnen, die dich segnen und verfluchen, die dich verfluchen; und  in dir sollen gesegnet werden alle Geschlechter auf Erden. Da zog Abram aus, wie der HERR zu ihm gesagt hatte, und Lot zog mit ihm.

                                                                               1. Mose 12,1–4a

Der Predigttext führt uns weit in die Geschichte unseres Glaubens zurück. Er steht am Anfang der Vätergeschichten der Hebräischen Bibel. Es ist die Erzählung von der Berufung des Abraham, der zu dieser Zeit noch Abram hieß. Es ist eine Geschichte, die vom Glauben, dem Segen Gottes und seinen Wirkungen erzählt.

Gott ruft Abram heraus. Ruft ihn in das Un­bekannte. Ruft ihn auf, sich einzulassen auf das Abenteuer des Glaubens. Beruft ihn unter dem Zuspruch seines Segens. Gott wird Abram neue Heimat geben und Gott wird eine große Geschichte mit Abram machen.

Abram lässt alles los, was ihm vertraut war:

Die ihm bekannten Weidegründe für seine Herde, den Kulturraum, in dem er sich auskannte, den Bezug zur Familie und Verwandtschaft. Gott weiß um die Schwere seiner Aufforderung an Abram, sonst wären diese drei Größen nicht erwähnt. Aber der Trennung steht ein großes Versprechen gegenüber: „Geh in ein Land, das ich dir zeigen will.“

Der Bericht von der Berufung Abrams ist der Anfang der Geschichte des Volkes Israel, ist der Anfang der Geschichte und der Geschichten von Isaak und Jakob, von Josef und seinen Brüdern, vom Großwerden des Volkes Israel in Ägypten, von der Unterdrückung dort und der Befreiung des Volkes unter Leitung von Mose zurück in das verheißene Land Abrahams.

Die große und großartige Geschichte beginnt mit dem schlichten Wort an Abram: „Geh!“ Und Abram geht: „Da zog Abram aus, wie der Herr zu ihm gesagt hatte.“ Kein Widerspruch, kein Zweifel, kein Einwand. Abram vertraut Gott. Doch zwischen dem ersten und dem letzten Satz der Geschichte steht etwas ganz Entscheidendes, nämlich die ­Verheißung des Segens Gottes. Nicht weniger als fünf Mal in nur zwei Sätzen verspricht Gott dem Abram Segen. Und dieser Segen wird Folgen haben für Abram. Sein Name wird groß werden und aus seinem Stamm wird ein großes Volk hervor gehen.

Jede kirchliche Begleitung von Übergängen im Leben eines Menschen wird durch den Zuspruch des Segens begleitet. Am Ende jeder unserer Got­tesdienste wiederholt sich die Zusage des Segens Gottes: „Der Herr segne dich und er behüte dich, der Herr lasse sein Angesicht leuchten über dir und sei dir gnädig, der Herr erhebe sein Angesicht über dir und gebe dir Frieden.“

Ich weiß, wie wichtig den Menschen der Zuspruch des Segens Gottes ist. Im Zuspruch und Entgegennehmen des Segens Gottes erfährt das glaubende Herz Bestätigung, auf dem richtigen Weg zu sein. Ich spüre deutlich, wie ich aus der Kraft des Segens Gottes lebe. Dabei ist der Segen nichts Magisches oder eine ­Zauberei. Er ist eine Kraft, von der Leben und Gutes ausgeht. Menschen, auf denen der Segen Gottes ruht, sind ausgestattet mit dieser Kraft, so wie Abram.

Thilo Haak,
Pfarrer der Ostergemeinde Berlin-Wedding

Ich bin getauft und erlöst

Predigttext zum 24. Juli 2022
6. Sonntag nach Trinitatis:
Römer 6,3–8 (9–11)

So sind wir ja mit ihm begraben durch die Taufe in den Tod, auf dass, wie Christus auferweckt ist von den Toten durch die Herrlichkeit des Vaters, so auch wir in einem neuen Leben wandeln.

                                                                               Römer 6,4

Martin Luther soll in Not und Anfechtung auf sein Schreibpult geschrieben haben: „Ich bin getauft.“ Das richtete ihn auf, gab ihm neuen Mut. Ich muss zugeben, dass mir meine Taufe sehr viel bedeutet. Einmal habe ich bei einer Bewerbung unter dem Geburtsdatum auch das Taufdatum angegeben. Aber so etwas wie Martin Luther habe ich noch nie gemacht. Dabei hat er vollkommen Recht! Ich bin getauft – diese unwiderruf­liche einmalige Zusage ist wie ein Siegel von Gott, wie ein Schutzschild, ein Mantra auch gegen den eigenen Zweifel.

Das Untertauchen in der Taufe ­– früher praktizierte man es noch, heute kehrt es mancherorts zurück – symbolisiert das Absterben des alten Menschen, das Reinigen und Abwaschen all dessen, was uns daran hindert, zu Gott zu kommen und seiner Botschaft zu folgen: „Liebe deinen Nächsten wie dich selbst.“ Und wenn der Täufling heraussteigt aus dem Wasser, ist er durch das Wort Gottes auferweckt zu einem neuen Leben mit ­Christus, in dem er eben dies tut. „Wir wissen ja, dass unser alter Mensch mit ihm gekreuzigt ist, damit der Leib der Sünde vernichtet werde, sodass wir hinfort der Sünde nicht dienen.“

Dabei wissen wir, wie schwer das ist, Sünde ist nicht nur ein kleiner Fehltritt. Sünde bedeutet von Gott getrennt der Macht nachzugeben, die Leben zerstört. Ständiges Ankämpfen gegen andere etwa. In der Folge verwelken Beziehungen zwischen Menschen statt zu blühen. Diesen Weg zu verlassen und zu leben als Gottes Eigentum, dazu helfe Luthers Spruch: „Ich bin getauft“ und Gottes Zusage: „Ich habe dich erlöst.“

Sibylle Sterzik, Berlin

Die Speisung der 5000

Predigttext zum 31. Juli 2022
7. Sonntag nach Trinitatis:
Johannes 6,1–15

Philippus antwortete ihm: Für zweihundert Silbergroschen Brot ist nicht genug für sie, dass jeder auch nur ein wenig bekomme. Spricht zu ihm einer ­seiner Jünger, Andreas, der Bruder des Simon Petrus: Es ist ein Knabe hier, der hat fünf Gerstenbrote und zwei Fische. Aber was ist das für so viele? Jesus aber sprach: Lasst die Leute sich lagern.

                                                               Johannes 6,7–10

Alle Evangelien berichten vom Speisungswunder! Nur Johannes erzählt von einem Jungen, der offensichtlich alles gibt! Das fasziniert mich. Wunder hin oder her, auch die vielen Erklärungsversuche darüber interessieren mich weniger. Mich interessiert, woher kommt der Junge? Was veranlasst ihn, sein ganzes Mitbringsel an Lebensmittel, von den Eltern eingepackt, herzugeben?

Ärgerlich, dass offensichtlich nur er seine Taschen geöffnet hat. Mir kann keiner erzählen, dass von 5000 Menschen nur einer etwas zu essen dabei hat! Jesus bewundere ich mit dem Satt-werden von ­vielen Menschen. Er zeigt mir aber auch, wie hartherzig Menschen sein können, wenn es um das eigene leibliche Wohl geht. Immer eine kleine Reserve für mich, meine Familie, war es damals auch der Fall?

Außer diesem unbedarften Jungen, der alles gibt, nicht an ein Morgen denkt. Welch ein Vertrauen! Das zeigt mir wieder einmal mehr, dass es schwer wird mit dem Himmelreich, wenn wir nicht werden wie die Kinder (Matthäus 18,3).

Bestimmt ist es dem einen oder anderen damals auch noch bewusst geworden bei der Essensausgabe. Und er hat dann etwas dazugegeben statt zu nehmen. Da stellt sich die Frage wo und wie kann ich heute handeln, um nicht nur an mich zu denken?

Titus Schlagowsky, Prädikant in Nastätten

 

Aktuelle Ausgabe Juli 2022

 

Das Logo zum Jubiläum 125 Jahre Frohe Botschaft, mit dem Schriftzug, der Zahl und einer Taube für den Heiligen GeistBegeistert von der Jubliäumsausgabe
125 Jahre Frohe Botschaft
In dieser Ausgabe erzählen Christina Telker, Manfred Schinkel und Angelika Manske, was ihnen an der Frohen Botschaft wichtig ist, die sie seit Jahren lesen:
Leserinnen und Leser 

Neue Serie: Menschen
Schinkenbrot und eine Tasse Tee.
130. Todesjahr: Thomas Cook
Von Hans-Jürgen Grundmann, Berlin

Jedes Alter hat seine Freuden. Foto: pixabay

 

Alt sein
Ein realistischer und zugleich tröstlicher Blick der Bibel auf die Lebenszeit auf der Zielgeraden.
Von Siegfried Dehmel, Berlin

Lebensfragen
Wie Kindern den Heiligen Geist erklären?
Geister machen ihnen Angst.
Es antwortet: Sibylle Sterzik, Berlin

 

 

 

 

Gebet des Monats Juli 2022

 

 

 

 

Ein Gebet für Juli

lieber gott

segne die freien tage

zu hause und unterwegs

und in der schönen ferne

 

lieber gott

beschütze die reisenden

und daheimgebliebenen

und die sehnsuchtslosen

 

lieber gott

schenke den menschen

und der natur ­

kriegs- und stressfreie zeiten

 

lieber gott

erfülle die herzen aller

mit abenteuerlust und

deinem himmelsschein

Michael Lehmler

Gebet des Monats Juni 2022

Ein Korb mit lila Flieder
Foto: pixabay

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Ein Gebet für Juni

ich verzichte
auf den gegenschlag

ich teile
mein eingemachtes

ich glaube
an das wunder

ich hoffe
auf gott

ich höre zu
wenn du mich kritisierst

ich bitte
um vergebung

ich schaue die sterne
und achte auf uns

Michael Lehmler

Predigten des Monats Juni 2022

 

 

Ein Briefcouvert auf dem Tisch, versehen mit einem roten Siegellack. Das Siegel liegt daneben
Gesiegelt und beglaubigt. Foto: pixabay

 

 

 

 

 

 

 

 

Monatsspruch Juni 2022

Lege mich wie ein Siegel auf dein Herz, wie ein Siegel auf deinen Arm.
Denn Liebe ist stark wie der Tod. Hohelied 8,6 (L)

 Das Siegel ist ein wichtiges Zeichen. Briefe mit rotem oder andersfarbigem Siegellack waren früher wichtig, um die Echtheit des Absenders und die Unversehrtheit anzugeben. Das Siegel musste erst „aufgebrochen“ werden. Urkunden waren nur ­gültig mit einem Siegel. Rechtlich ist jedes dienstliche „Siegel“ einzigartig, jede ­Kirchengemeinde besitzt eines. Wer es führen darf, ist genau geregelt. Aber was bedeutet ein Siegel für das Herz eines Menschen? Die Liebende drückt aus: Der Mann möge sie so wert halten wie seinen Siegelring, den er zur Beglaubigung von Urkunden an einer Schnur um den Hals trägt, so dass er auf ­seiner Brust ruht. Dicht an seinem Herzen. Und

er besiegelt die Liebe zwischen dem Paar. Und vor allem die Liebe zwischen Gott und den Menschen. Wir dürfen auf seinen Bund vertrauen, der am Sinai mit der Gabe seines Wortes besiegelt wurde, zuerst mit Mose und – mit hineingenommen in diesem Bund – mit Jesus Christus. In der Taufe wird der Name Gottes auf den Täufling geschrieben. Wir tragen sein ­Siegel, das unverbrüchlich ist und unser Leben in seinem Licht leuchten lässt. Für uns und für alle anderen, die es hoffentlich durch uns erkennen können.    

Sibylle Sterzik, Berlin

 

Eine Friedenstaube auf einem blaurosa Himmel
Träume vom Frieden ohne Waffen – war das naiv? Foto: pixabay

Früher war alles schlechter!

Predigttext zum 5. Juni 2022
Pfingsten: Römer 8,1–2(3–9)10–11

Denn die da fleischlich sind, die sind fleischlich gesinnt; die aber geistlich sind, die sind geistlich gesinnt. Denn fleischlich gesinnt sein ist der Tod, doch geistlich gesinnt sein ist Leben und ­Friede. Römer 8,5+6

Konvertiten neigen dazu ihr altes Leben schlechtzureden. Das gilt auch für den Apostel Paulus: „Aber was mir Gewinn war, das habe ich um Christi willen für Schaden erachtet. Ja, ich erachte es noch alles für Schaden gegenüber der überschwänglichen Erkenntnis Christi Jesu, meines Herrn. Um seinetwillen ist mir das alles ein ­Schaden geworden, und ich erachte es für Dreck, damit ich Christus gewinne …“ (Philipper 3,7f.).

Dabei ist das mit der rückwärtigen Schwarzmalerei ebenso eine Sache wie mit der rückwärtigen Schönfärberei: „Früher war alles besser!“ stimmt so wenig wie „Früher war alles schlechter!“ – „Wann wird es endlich wieder so wie es nie war?“, fragt der Schriftsteller Karl Ove Knausgaard – und weist darauf hin, dass wir uns die Vergangenheit und die Zukunft entlang unserer Wünsche (oder Ängste) konstruieren.

Wir sind gerade wieder an einer solchen Wasserscheide. Im Kontext des Krieges gegen die Ukraine wird viel von Zeitenwenden gesprochen: „Wir haben uns in Waldimir Putin getäuscht! – Jetzt sehen wir klarer!“ – „Wir waren naiv mit unseren Träumen vom Frieden ohne Waffen! – Jetzt sehen wir realistischer!“ – Manchen Umdenkenden wird gar öffentlich ein Wandel „vom Saulus zum ­Paulus“ nachgesagt.

Wir sollten gerade jetzt aufpassen, dass wir nicht in der Falle der Gegenüberstellungen landen. Denn auch wenn uns Paulus den Gegensatz des „alten Lebens im Fleisch“ und des „neuen Lebens im Geist“ plastisch vor Augen malt und auch wenn Zuspitzungen in Konfliktsituationen Sinn machen, so steht das Wirken des Pfingstgeistes doch für die Überwindung der alten Gegensätze von Tod und Leben, von Gesetz und Evangelium: Das alte Leben, in dem wir uns immer noch befinden,

ist bereits durchwirkt und durchweht durch die Kraft des neuen Lebens aus dem Geist. Aus dieser pfingstlichen Kraft sollten uns neue Perspektiven zuwachsen, die wir jetzt noch nicht vor Augen haben. Beten wir dafür!

Hannes Langbein, Pfarrer und Direktor der ­Kulturstiftung
St. Matthäus, Berlin

 

Der Planet Erde mit dem Trabanten Mond
Wunder der Schöpfung und trotz ihrer Größe verletzlich – unsere Erde. Foto: pixabay

 

 

 

 

 

 

Lob der unerforsch­lichen Wege Gottes

Predigttext zum 12. Juni 2022
Trinitatis: Römer 11, (32)33–36

Denn Gott hat alle eingeschlossen in den Ungehorsam, damit er sich aller erbarme. O welch eine Tiefe des Reichtums, beides, der Weisheit und der Erkenntnis Gottes! Wie unbegreiflich sind seine Gerichte und unerforschlich seine Wege! Denn „wer hat des Herrn Sinn erkannt, oder wer ist sein Ratgeber gewesen“? (Jesaja 40,13). Oder „wer hat ihm etwas zuvor gegeben, dass Gott es ihm zurück­geben müsste?“ (Hiob 41,3). Denn von ihm und durch ihn und zu ihm sind alle Dinge. Ihm sei Ehre in Ewigkeit! Ameen. 
Römer 11, (32)33–36

„Am ersten Tag deutete jeder auf sein Land. Am dritten oder vierten Tag zeigte jeder auf seinen Kontinent. Ab dem fünften Tag achteten wir auch nicht mehr auf die Kontinente. Wir sahen nur noch die Erde als den einen, ganzen Planeten.“ Mit diesen Worten beschreibt der erste muslimische Astronaut Sultan Ben Salman Al Saud die Erfahrung als Mitglied eines siebenköpfigen Teams der US-amerikanischen Raumfähre STS-51-G. Seine Weltsicht aus dem All berührt mich. Ein Blickwinkel voller Staunen, Weisheit und Einsicht – Erdung aus dem All-Raum.

Der Völkerapostel Paulus flog nicht in den Weltraum. Der universelle Blickwinkel rührt bei ihm aus einer tiefen Innenerfahrung. Er bringt sie in einer Formulierung zum Ausdruck, die sich nicht im Klein-Klein verfängt, sondern das „ta panta“, „Alles“ auf den Punkt bringt: „Denn von ihm und durch ihn und zu ihm sind alle Dinge.“

Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft sind Dimensionen der Präsenz des Einen Gottes. Gott ist der Poet der Welt, liebende Kreativität ohne die nichts wäre, was ist. Mit dieser kosmischen, alle Grenzen sprengenden Formulierung beschließt Paulus die berühmten „Israel-Kapitel“ 9 bis 11 des Römerbriefes. Es war ihm ein Herzensanliegen zu zeigen, dass die universelle Liebe Gottes, die sich in alle Völker der Erde ergießt und alle ­Menschen meint, in Israel ihren Ursprung nahm. Israel ist und bleibt der Augapfel Gottes.

Ähnlich wie heute muss es zur Zeit des Paulus antijüdische Anfeindungen gegenüber dem ­Gottesvolk gegeben haben. In frühen christlichen Gruppierungen war das überhebliche Vorurteil ­aufgetaucht, Gott habe sein Volk Israel verstoßen, und die Christen an dessen Stelle gesetzt. Paulus versucht, diesen Irritationen etwas entgegenzu­setzen. Die Erwählung, der Bund Gottes mit Israel ist unverbrüchlich. Wie sonst sollten die Dazu­gekommenen darauf vertrauen können, dass sie es mit einem zuverlässigen und treuen Gott zu tun haben, wenn dieser Gott seinen früher gegebenen Versprechungen und Bindungen untreu würde?

Und an alle gerichtet: Also ändert euren Sinn, denkt in größeren Dimensionen. „Nicht einige wenige sind berufen, sondern alle!“, so formulierte es der Künstler Joseph Beuys.

Man muss das nicht verstehen! Einem verkopften Denken entziehen sich die Geheimnisse der Wege Gottes sowieso. Und ein Tauschhandel soll es eben auch nicht werden. Paulus erinnert an das alte Missverständnis, der Utilitarismus (lateinisch utilitas, Nutzen, Vorteil): Ich gebe Dir was, damit Du mir etwas zurückgibst. Es geht um Beziehung, nicht um Verträge. Gott um seiner selbst willen zu lieben – so wie auch seine ­Menschen und die ganze Schöpfung. Welch ein Reichtum. Was für eine Weisheit.

Pfarrerin Andrea Richter, Beauftragte für Spiritualität in der ­Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz

 

zwei Kinder spielen mit Luftballons
Straßenkinder brauchen Schutz. Foto: pixabay

 

 

 

 

 

 

Gnade und Liebe

Predigttext zum 19. Juni 2022
Sonntag nach Trinitatis: Lukas 16,19–31

Es begab sich aber, dass der Arme starb, und er wurde von den Engeln getragen in Abrahams Schoß. Der Reiche aber starb auch und wurde begraben. Als er nun in der Hölle war, hob er seine Augen auf in seiner Qual und sah Abraham von ferne und Lazarus in seinem Schoß. Abraham aber sprach: Gedenke, Kind, dass du dein Gutes empfangen hast in deinem Leben, Lazarus dagegen hat Böses empfangen; nun wird er hier getröstet, du aber leidest Pein.   
Lukas 16,22.23.25

Als Christ kann ich diese Geschichte nur ganz schwer hören. Sie malt nur in schwarzer und weißer Farbe. Das passt nicht zu meinem Glauben. Ich glaube an eine andere Gerechtigkeit: Eine Gerechtigkeit, die die Gnade und Liebe kennt. ­Diese Gerechtigkeit kenne ich aus dem Evangelium, das gegen das Auge um Auge, das Hinhalten der anderen Wange setzt. Und ich kenne diese Gerechtigkeit von dem her, der die Geschichte vom reichen Mann und armen Lazarus erzählt.

Jesus erzählt diese Geschichte deswegen, weil er zeigen möchte, wie es in einer Welt ohne Gnade und Liebe zugeht. Wie es in einer Welt aussieht, die die Liebe zum Nächsten nicht kennt. Es ist doch so, dass ich aus meiner Position des habenden und gut lebenden sehr gut zu den Armen und Elenden herübersehen kann. Genauso wie man in der Erzählung vom Himmel in die Hölle sehen kann. Doch wenn all mein Ansehen der Hilfs­bedürftigkeit anderer mein Herz hart bleiben lässt, bin ich der Elendste unter den Menschen.

Das ist es, was dem Reichen anzulasten ist. Er hat das Elend, die Hilflosigkeit und den Hunger des Lazarus genau vor seiner Tür. Aber er hat keine Liebe für Lazarus. Er sieht die Bedürftigkeit seines Nächsten und will sie nicht sehen. Er gibt ihm nicht zu essen, er kleidet ihn nicht und heilt nicht seine Wunden. Lazarus ist ihm der Nächste, doch er liebt ihn nicht. Dabei würde ihn das nur einen geringen Teil seines Reichtums kosten. Der Anblick des Leides muss doch genügen, um Mitleid und die ihm gemäße Menschenliebe und Hilfsbereitschaft zu wecken.

Jesus erzählt diese Geschichte nicht, um mich vor Bestrafung zu warnen, sondern um mein Herz aufzufordern, sich den Lazarussen dieser Welt zuzuwenden. Wer von der Liebe Jesu angeregt ist, wird auch andere Menschen in Liebe ansehen.

Ich kenne eine ganze Menge Lazarusse, die mein Herz anrühren und die Hilfe brauchen. Die eine Gerechtigkeit brauchen, die die Gnade und die ­Liebe kennt: sozial verelendete Menschen in den Städten, Bettler, die so manchen Sonntag, wenn wir Gottesdienst feiern, vor unserer Kirche sitzen.

Ich denke an die Straßenkinder auch hier in Berlin und an die Arbeitslosen. Sie brauchen mein Mit-Leiden, meine Liebe und ganz sicher auch einen entbehrlichen Teil meiner Habe, damit sie leben können.

Die Erzählung vom reichen Mann und armen Lazarus zeigt, wie die Welt sonst aussehen würde. Sie ist die Hölle. Gottes Gerechtigkeit ist anders. Niemanden vor der Tür zu übersehen, niemanden ohne Zuwendung einfach draußen lassen, niemanden ohne Herz begegnen, das ist die konkrete Gestalt der Nächstenliebe, die Jesus mich lehren will. Und wo dies geschieht, da wird eine andere Gerechtigkeit offenbar. Die Gerechtigkeit, die ­Gnade heißt. Sie ist die Gerechtigkeit Gottes, der niemanden verelenden sehen will, sondern jeden Menschen in Liebe bei sich ­bergen möchte. Das ist ein viel schönerer Traum, als der von der ausgleichenden Gerechtigkeit. Von ihr will ich mich leiten ­lassen, wenn ich das nächste Mal Lazarus begegne!

 Thilo Haak, Pfarrer der Osterkirche in Berlin-Wedding

 

Ein großer Walfisch. In seinem Maul steckt der Prophet Jona. Nur die Beine schauen raus
Der verzagte und dann doch in Ninive ­erfolgreiche Prophet Jona.
Foto: By WolfD59, Public Domain, wikimedia-commons

 

 

 

 

Das sollten alle können

Predigttext zum 26. Juni 2022
2. Sonntag nach Trinitatis: Jona 3,1-10

Und als Jona anfing, in die Stadt hineinzugehen, und eine Tagereise weit gekommen war, predigte er und sprach: Es sind noch vierzig Tage, so wird Ninive untergehen. Da glaubten die Leute von Ninive an Gott und riefen ein Fasten aus und zogen alle, Groß und Klein, den Sack zur Buße an.
Jona 3,4+5

Da stimmt etwas nicht mit dieser Geschichte. Die Stadt Ninive ist viel zu groß. Die Predigt des Jona ist viel zu kurz. Er sagt gerade mal einen Satz, ohne jemanden direkt anzusprechen. Die Menschen glauben ihm trotzdem sofort. Der König ist zu einsichtig. Und das Fasten, das er ausruft, ist maßlos übertrieben. Sogar Tiere müssen auf Nahrung und Wasser verzichten und in Sack und Asche gehen. Ein Rind im Büßergewand? Schafe, die nichts trinken dürfen? Ein König und sein Volk, die auf einen fremden, dahergelaufenen Mann hören? Alles an dieser Geschichte des ­kleinen Propheten, der im großen Bauch eines Walfischs ausharrte, ist übertrieben.

Da stimmt etwas nicht mit dieser Geschichte. Jona, der meinte, er könne sich vor Gott verstecken, Jona, der lustlos von Ninives Untergang sprach, wird zum erfolgreichsten Propheten der Bibel und noch dazu gegenüber einem fremden Volk! Was haben all die anderen sich bemüht! Jesaja, Jeremia, Hesekiel und wie sie alle heißen. Sie haben ihr ganzes Leben in den Dienst Gottes gestellt. Sie sind immer wieder vor das Volk Israel und seine Könige getreten und haben wort­gewaltig Gottes Wort verkündet, haben gerungen, gehadert, gelitten und sind immer wieder ­gescheitert. Volk und König blieben verstockt. Doch ­ausgerechnet der geflohene, wortkarge ­Prophet bewirkt die Umkehr eines ganzen Volkes in Ninive.

Da stimmt etwas nicht mit dieser Geschichte. Das kann nicht ernst gemeint sein. Hier macht sich doch jemand lustig über einen verschluckten Propheten, über den fremden König und sein ­treues Volk. Sie alle erscheinen einfältig und tollpatschig und dabei auch irgendwie liebenswürdig. Gott ist von diesen Menschen in der Geschichte gerührt und er nimmt sich ihrer an. Könnte es sein, dass der/die Autor:in mit dieser überzeichneten Geschichte zeigen möchte, dass es doch gar nicht so schwer ist, Gottes Wort weiterzusagen und danach zu handeln? Das sollten alle können, ob Prophet oder nicht, ob Volk Israel oder die Menschen in Ninive. Denn Gott ist ein gnädiger Gott.

Über Gott macht sich diese Erzählung nicht lustig. Jona selbst beschreibt ihn als gnädig, barmherzig, langmütig und von großer Güte, ­allerdings mit einem vorwurfsvollen Unterton (4,2). Denn seiner Meinung nach sollte er gegen­über diesem fremden Volk gerade nicht gnädig sein. Doch Gott steht über den Wünschen dieses Boten. Er ist frei, Reue zu zeigen und Urteile zurückzunehmen. Er setzt sich über menschliche Grenzen hinweg und kann seine Gnade einem fremden Volk und dessen Tieren gewähren.

Da stimmt die Geschichte dann wieder: Gott ist tatsächlich gnädig, barmherzig, langmütig und von großer Güte gegenüber allen Menschen.

Pfarrerin Meike Waechter,
Referentin für Gemeindedienst im ­Berliner Missionswerk

 

Aktuelle Ausgabe Juni 2022

 

Das Logo zum Jubiläum 125 Jahre Frohe Botschaft, mit dem Schriftzug, der Zahl und einer Taube für den Heiligen Geist125 Jahre Frohe Botschaft
So war es damals
Der frühere Verlagshersteller aus dem Wichern-Verlag erinnert sich
Hans-Jürgen Grundmann und Sibylle Sterzik, Berlin

 

Eine Zeitschrift „für die Seele“
Warum sie die Zeitung gern lesen und daran mitarbeiten
Leserinnen und Leser sowie das Team der Frohen Botschaft 

Ein Deckengemälde in einer Kirche, das Pfarrer Sebastian Kneipp zeigt
Pfarrer Kneipp auf einem Deckengemälde in der Stadtpfarrkirche St. Justina in Bad Wörishofen. Foto: PD, Wikimedia Commons

Neue Serie: Menschen
Kaltwasserdoktor.
125. Todesjahr: Sebastian Kneipp
Von Hans-Jürgen Grundmann, Berlin

Lebensfragen
Bis heute verstehe ich meinen Konfirmationsspruch eigentlich nicht.
Es antwortet: Prof. Dr. Rolf Wischnath, Berlin und Gütersloh

 

 

 

 

125 Jahre Frohe Botschaft

16 Seiten Gottvertrauen
Wir feiern 125 Jahre Frohe Botschaft 
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Zum Jubiläum schreiben Leserinnen und Leser, warum sie die Monatszeitschrift gern lesen

Das Logo zum Jubiläum 125 Jahre Frohe Botschaft, mit dem Schriftzug, der Zahl und einer Taube für den Heiligen GeistIn diesem Jahr 2022 gibt es etwas Großartiges zu feiern: 125 Jahre besteht die evangelische Monatszeitschrift Frohe Botschaft! Sieht man von den drei Jahren in der Zeit des Nationalsozialismus ab, in denen sie nicht erscheinen durfte. (Welche waren das?) Damit ist die Frohe Botschaft vermutlich die älteste deutsche evangelische ­Zeitschrift. 125 Jahre lang verbreitet die Frohe ­Botschaft das Evangelium von Jesus Christus.
Viel hat sich seitdem verändert. Computer ­wurden erfunden, selbstfahrende Busse, digitale Medien, elektronische Post. Aber die Frohe Botschaft gibt es noch immer, sowohl die Zeitschrift als auch das, was sie als frohe Botschaft weitergibt: Verbum dei manet in eternum. Das Wort Gottes bleibt in Ewigkeit. Gottes Ja zu seinen Geschöpfen, zu seiner Welt gilt und er verspricht, alle Tage bei uns zu sein.
Er weist uns in Liebe und Vergebung aneinander, so wie er uns liebt und vergibt. Und er will uns mit offenen Armen empfangen, wenn sich das
Tor unserer Erdentage zur Ewigkeit hin öffnet.
Was es bedeutet, uns zuspricht, wie es uns anregt, im Sinne Jesu zu leben und zu handeln, davon erzählt Monat für Monat diese Zeitung. Sie ermutigt Leserinnen und Leser zu Hause in den Wohnzimmern, in der Fremde, in Krankenhäusern oder in fernen Ländern wie Bulgarien, Rumänien oder England, wo sie auch Menschen lesen.

Warum lesen Sie die Frohe Botschaft gern? Schreiben Sie uns!

Warum Sie, liebe Leserinnen und Leser, die ­Frohe Botschaft gern lesen und weiterempfehlen, darüber möchten wir mehr erfahren. Wann haben Sie sie zum ersten Mal in der Hand gehabt? Wo lesen Sie sie am liebsten? Was schätzen Sie besonders an dieser Zeitung? Schreiben Sie uns. Wir drucken die schönsten Beiträge im Jubiläumsjahr ab. Im Juni gibt es eine Geburtstagsausgabe.

In der Ausgabe Februar 2022 erzählte Sabine Hoffmann,
was ihr an der Frohen Botschaft gefällt:

Bild von Sabine HoffmannDie „Frohe Botschaft“ lese ich deshalb gerne, weil die Beiträge aufbauend und verständlich sind. Ich habe oft Lust, in der Bibel nachzuschlagen und nachzulesen, wenn ich die Bibelauslegungen lese. Die Predigttexte sind fast immer nachvollziehbar. Wenn ich etwas gar nicht verstehe, kann man immer nachfragen. Die Leserartikel zu den ­Erlebnissen zum Kriegsende blieben mir lange im Gedächtnis, weil es authentische Geschichte war. Die Beiträge waren sehr emotional geschrieben und ich konnte sehr gut nachvollziehen, wie in schwierigen Zeiten der Glauben Hoffnung gibt.

16 Seiten Gottvertrauen

Das spürt man auch im Krankenbrief. Er animierte mich, dass ich kranken Freunden schreibe. Gerade jetzt in Zeiten des Abstands hilft ein Brief, Kontakt zu halten. In der „Frohen Botschaft“ ist von Seite 1 bis 16 einfach „Gottvertrauen“. Keine Zweifel und Fragezeichen, sondern klares Bekenntnis zum Evangelium. Das tut gut, wenn die Nachrichten in der Welt fast nur noch schlecht sind. Ich brauche einen tröstenden Haltepunkt, an dem ich mich festhalten kann. Das ist die „Frohe ­Botschaft“.
Sabine Hoffmann,
Vertriebsleiterin der Frohen Botschaft im Wichern-Verlag, Berlin

 

Ein treuer ­Alltagsbegleiter
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In der Ausgabe März 2022 erzählt Jürgen Mann, ­Bürgermeister der Gemeinde Muldenhammer im Vogtland, warum ihn die Frohe Botschaft seit Jahrzehnten im Alltag begleitet:

Bild von Jürgen Mann
Jürgen Mann, ­Bürgermeister der Gemeinde Muldenhammer.
Foto: privat

Die Frohe Botschaft ist für mich eine gut verständliche Ergänzung der im Gottesdienst gehörten Predigten. Sie zeigt mir so manchen über­raschenden Blickwinkel und Auslegungsinhalt der thematisierten Bibelstellen auf. Außerdem ist sie für alle Altersgruppen interessant und greift auch immer aktuelle Themen auf. Haltung und Orientierung ist gerade in unserer Zeit für die vielen desorientierten Menschen sehr wichtig. Das Wort Got­tes ist für mich Lebens- und Entscheidungsgrund­lage und Wegweiser meines Lebens. Besonders in meinem Beruf als Bürgermeister ist diese Lebenshaltung von vielen Anfechtungen und Zweifeln geprägt. Vor der politischen Wende bezeichnete man mich auf Grund meines Glaubens und meiner politischen Haltung als „Klassenfeind“. Seit 1990 bin ich ehrenamtlich und seit 13 Jahren hauptamtlich kommunal politisch für meine Heimatgemeinde tätig. Gleichzeitig war ich über 20 Jahre selbstständig in der Wirtschaft unterwegs.
Der Umgang mit Menschen macht mir immer noch große Freude, obwohl sich die Ansprüche der Menschen und die gesellschaftlichen Werte stark verändert haben. Bei aller profanen, menschlichen und sicher dem Zeitgeist geschuldeten Umstände, gilt es gerade jetzt auf unsere Lebensgrundlagen im Wort Gottes zu verweisen. Gerade wir Christen haben heute die elementar wichtige Aufgabe, unsere Menschen daran zu erinnern und eine Orientierung in den Wirren dieser Zeit zu geben. Dazu wünsche ich uns auf der Grundlage unseres Glaubens viel Kraft, Durchhaltevermögen und vor allem Gottes Segen.

Eines Tages fand ich sie wieder
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Bild von Christina Telker
Christina Telker, Leserin und Autorin aus Bernau. Foto: privat

Christina Telker erzählt, dass sie die Frohe Botschaft im Elternhaus gelesen, abbestellt und nach Jahren wiedergefunden hat und nun gern liest:
Ich konnte es kaum fassen, als ich es las, 125 Jahre, das ist ein stolzes Jubiläum, auf das die Frohe Botschaft zurückblicken kann. Mehrere soziale und politische Epochen hat diese Zeitung überstanden, und sie gibt es immer noch! Ich wünsche der Frohen Botschaft noch weitere 125 Jahre und mehr.
In meinen Kinderjahren (in den 1950er Jahren) lernte ich die Frohe Botschaft kennen. Sie gehörte in meinem Elternhaus ganz selbstverständlich dazu. Vielleicht auch ganz besonders, weil christliche Zeitschriften zu DDR Zeiten eine Seltenheit waren. Die christliche Botschaft gehörte ganz selbstverständlich in unseren Alltag, mit Morgen- und Abendandacht und dem Tischgebet. Später hatte ich diese Zeitschrift aus den Augen verloren. Selbst in den Aufstellern in den Kirchen mit kostenlosem Material war sie nie zu finden. Ich arbeitete im kirchlichen Dienst und war auch später im Ruhestand in unserer Kirchgemeinde ehrenamtlich vertreten. Da mir diese Zeitschrift jedoch nie begegnete, nahm ich an, es gibt sie nicht mehr.
Eines Tages fand ich sie im Urlaub in einer Kirche. Die Freude war groß. So war für mich klar, diese Zeitschrift in den nächsten Bibelkreis nach der Sommerpause (2019) mitzunehmen. Da dieser Kreis ausschließlich nur aus Senioren besteht, nahm ich an, eine ebenso große Freude vorzufinden, wie sie bei mir war. Leider war dies nicht der Fall. Nicht einmal unser Pfarrer kannte diese Zeitschrift. Das fand ich sehr schade und bot dieses Exemplar, das ich mitgebracht hatte, zum Lesen an. Das Inter­esse war mäßig. Jetzt lesen wir meine Zeitung zu dritt, da sie immer weitergegeben wird.
Für mich persönlich war es auch eine weitere Freude, dass sich die Frohe Botschaft auch vom Inhalt her treu geblieben war. Trotz der Veränderungen in der Kirche, ist es für die Frohe Botschaft weiterhin ihr Ziel, nicht mit den Wölfen zu heulen, sondern Gottes Frohe Botschaft unter die Menschen zu bringen. Dies zeigt auch der Beitrag Lebensfragen in der Februarausgabe. So wünsche ich dieser Zeitschrift, dass es gelingen möge 125 und mehr neue Leser zu finden.
Christina Telker, Leserin aus Bernau

Ich bin 82 Jahre alt und das jeweilige Doppelblatt der Frohen Botschaft ist immer Bestandteil meiner sonntäglichen Morgenandacht. Ich lese die „FroBo“ seit meiner Rückkehr in die christliche Gemeinschaft seit 2002 regelmäßig und habe daraus in meinen wöchentlichen Familien-E-Mails oft zitiert.
Das führte dazu, dass eine gestandene junge Frau und Mutter erwachsener Töchter ein solches Interesse bekundete, dass ich die Zeitschrift seit einigen Jahren diese für sie abonniert habe.
Hermann Hünecke, Leser aus Potsdam

Wir dürfen unserem Herrn sehr dankbar sein, dass die Frohe Botschaft bereits 125 Jahre erscheinen darf – durch alle politischen Systeme hindurch. Allerdings sind weitere 125 Jahre erforderlich bis das Vierteljahrtausend erreicht ist. Als Anmerkung zur Februar Ausgabe der Frohen Botschaft.
Matthias Lemke, Leser aus Friedrichroda

 

Sie bildet und bietet gute Anregungen
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Hildegard Eydam, Ann-Susann Kießling und Edeltraud Mödl verraten, was ihnen an der Frohen Botschaft sehr wichtig ist, die sie seit Jahren lesen:

Bild von Hildegard Eydam
Hildegard Eydam, Leserin aus Naumburg. Foto: privat

Warum ich die „Frohe Botschaft“ (früher hieß es noch weiter „für jedermann“) so gerne mag? Ich finde, die Vielseitigkeit der Themen und die unterschiedlichen Meinungen und Auslegungen der Bibeltexte sind eine Bereicherung meines ­Allgemeinwissens. Auch die Lebensbilder, die mir viele bekannte und unbekannte Menschen näherbringen, sind sehr interessant. Und dann ist auch im Allgemeinen eine gute Mischung aus vielen Themen für mich sehr interessant und aufschlussreich. Nicht zuletzt ist es die langjährige Tradition, die mich immer wieder gespannt sein lässt, was es wohl diesmal zu lesen gibt. Ich gebe die Frohe Botschaft auch immer weiter in ein Altenheim, wo es noch einige Leserinnen, vielleicht auch Leser gibt. So wünsche ich der Zeitschrift mit der Frohen Botschaft für jedermann, die lebensnotwendig und frohmachend ist, noch viele Jahre für viele Neue und langjährige Leser/innen.
Hildegard Eydam, Leserin aus Naumburg

Ich lese die „Frohe Botschaft“ schon immer. Im Jahre 2000/2001 übernahm ich diese dann nach dem Tod meiner Mutter für mich selbst. Immer wieder finde ich darin gute Berichte und ­Anregungen. Manchmal gebe ich sie auch weiter, oder lese es später noch einmal. Ich bin Jahrgang 1962. Mit freundlichen Grüßen aus dem Vogtland
Ann-Susann Kießling, Oelsnitz OT Hartmannsgrün
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Seit einigen Jahren bin ich Abonnentin der „Frohen Botschaft“. Ich freue mich zum Monatswechsel immer auf die neue Lieferung, lese aber trotzdem die Ausgaben erst zum jeweiligen Sonntag.
Dann allerdings ab und zu auch mehrmals an ­darauffolgenden Tagen.
Zum einen finde ich die Ausführungen zu den Predigttexten sehr interessant, insbesondere, falls ich vorher die Möglichkeit hatte, den Gottesdienst in der hiesigen Dorfkirche zu besuchen.
Manchmal finden sich Parallelen, das andere Mal gänzlich neue Punkte und Argumente, die Ausgangspunkt für weitere Gedanken meinerseits sind.
Besonders gerne lese ich den „Krankenbrief“. Diese Lektüre führt dazu, sich wieder mehr ­Gedanken über sich selbst zu machen; die eigene Gesundheit beziehungsweise Behinderung. Und auch das eventuelle Ende, welches hoffentlich noch in weitere Ferne liegt, zu reflektieren.
Gerade im Moment beschäftigt mich der Tod ­meiner schwerkranken Freundin, die nur drei Wochen älter als ich gewesen ist, zusehends. Zwar bin ich erleichtert, dass sie nach einer längeren Beschwerdezeit mit ALS gehen durfte, aber dennoch bin ich traurig, nicht mehr mit ihr sprechen zu können.
Sonstige Texte, Gebete oder ­Rätsel betrachte ich als positive Zugaben, die mir Spaß und ­Freude bereiten, das eine oder andere Mal auch Zuversicht oder Trost! Sehr froh bin ich, dass die „Frohe Botschaft“ ­zuverlässig jeden Monats­anfang in meinem Brief­kasten liegt. Eine gute, gesunde und friedvolle Zeit für das gesamte Team.
Edeltraud Mödl, Leserin aus Offenbau

 

Hier gratuliert das Team der Frohen Botschaft und verrät, warum sie gern für diese Zeitschrift arbeiten:

Porträt von Hans-Jürgen Grundmann
Hans-Jürgen Grundmann ist Autor vieler beliebter Reihen zur Bibel oder mit Porträts interessanter Persönlichkeiten. Foto: privat

Als Verlagshersteller war ich nun für die drucktechnischen Belange zuständig. Die Zusammen­arbeit mit den Schriftleitern Pfarrer Dieter Spree, Dietrich Talkenberger, Edgar Schwarz, Frank Bürger sowie der jetzigen leitenden Redakteurin Sibylle Sterzik, war und ist für mich gewinnbringend. Nach dem Eintritt in das Rentenalter kann ich als gelernter Schriftsetzer und späterer Druckereibesitzer meine beruflich erworbenen Erfahrungen beim monatlichen Korrekturlesen anwenden. Dazu kamen bald einige kleinere Berichte, Porträts, Kurzauslegungen von Predigttexten, Monatssprüchen und letztlich die Serien „Jahr der Bibel“ und „Menschen“. Mein Wunsch ist, dass es die „Frohe Botschaft“ auch weiterhin gibt und ich sie noch lange begleiten kann.

Hans-Jürgen Grundmann, Autor und Mitarbeit beim Korrektorat, mit Ergänzungen von Sibylle Sterzik

 

Lesertreue von der Wiege bis zur Bahre!

Sabine Hoffmann telefoniert mit einer Leserin
Sabine Hoffmann hört gern zu und findet aufmunternde Worte in allen Lebenslagen. Foto: privat

Viele Leserinnen und Leser sagen im ersten Satz am Telefon: „Ich lese die Frohe Botschaft seit Jahrzehnten.“ Welche Zeitschrift kann das über seine Leserschaft sagen! Es gibt viele Telefonate, wenn es um Umzüge oder Nachfragen geht. Auch wenn der eine oder andere Dialekt aus dem Süden nicht gleich verstanden wird, so sind es zu 99,9 Prozent immer schöne und intensive Gespräche, die auch mal länger dauern. Gerne höre ich zu. Oft muss ich auch trösten, weil ein geliebter Mensch verstorben ist oder ein Umzug in eine Pflegeeinrichtung bevorsteht. Viele Anrufende erzählen dann, dass die „Frohe Botschaft“ schon die Großeltern gelesen oder sogar ausgetragen haben. Das nenne ich eine Lesertreue von der Wiege bis zur Bahre!

Sabine Hoffmann, Vertriebsleiterin des Wichern-Verlages

Hier wird christliche Moral wirklich gelebt!

Sabine Hoffmann telefoniert mit einer Leserin
Conny Salomon nimmt sich gern Zeit für Lesergespräche. Foto: privat

Seit 2016 betreue ich den Leserservice, die Abonnentenabbuchungen und Zahlungen der „Frohen Botschaft“. Jedes Jahr gibt es in der ersten Januarwoche schon Anrufe, wo denn die Rechnung bleibt. Unsere Abonnenten wollen uns auf gar keinen Fall etwas schuldig bleiben. Die christliche Moral auch beim Zahlen wird hier wirklich gelebt. Unsere Leserschaft macht keine Schulden! Wenn in Thüringen oder im Erzgebirge Schnee und Eis den Gang zur Bank unmöglich machen, dann rufen uns die Leser an und sagen Bescheid, dass das Geld später kommt. Darum beneiden uns sehr viele andere Verlage. Und ich bin glücklich, dass wir mehr Zeit für Lesergespräche haben, als Arbeit mit dem Mahnwesen. Die Auslosung des Preisrätsels ist immer besonders schön. Es kommen liebevoll ausgesuchte Ansichtskarten mit Danksagungen, die dann unsere Pinnwand schmücken.

Cornelia Salomon,
Leserservice im Wichern-Verlag

 

Das Wort läuft

Rosemarie Reuter liest Korrektur
Rosemarie Reuter findet jeden Fehler beim Korrekturlesen und schreibt auch selbst Artikel. Foto: privat

Herzlichen Glückwunsch zu 125 Jahre Frohe Botschaft! Bei meiner ­Mit­arbeit im Redaktionskreis der Frohen ­Botschaft oder zu den Leser-Reisen, war es mir immer wichtig mitzuhelfen, dass „das Wort läuft“, so ein Kinderbibeltitel! Liebe Leser und Leserinnen bleiben Sie in dieser „besonderen Zeit“ ­behütet! Shalom!

Rosemarie Reuter,
Mitarbeit bei Leserreisen und im Korrektorat

 

 

 

Die schöne Welt des Photoshops

Nicole Wolf an ihrem Arbeitsplatz im Wichern-Verlag
Nicole Wolf findet die schönsten Fotos für die Frohe Botschaft. Foto: privat

Ich arbeite gerne am Layout der Frohen Botschaft, weil ich gerne auf Bild-recherche gehe und gerne mal was am Bild verwackle, vertausche, neu montiere. Die schöne Welt des Photoshops. Eine große Bildauswahl ermöglicht uns einen frischen, modernen Charakter auf die Themen der Bibeltexte zu legen.

Nicole Wolf, grafische Gestalterin

 

 

 

 

 

Predigten des Monats Mai 2022

 

 

geöffnetes Briefcovert mit Stift
Post von Freunden macht Freude. Foto: pixabay

Monatsspruch Mai 2022

Ich wünsche dir in jeder Hinsicht ­Wohlergehen und Gesundheit, so wie es deiner Seele wohlergeht. Johannes 2 (E)

 

Da erhält Gaius einen Brief von Johannes. Das alleine ist schon mal eine Freude wert, denn wer erhält nicht gerne Post, noch dazu, wenn sie von Freunden ist. Beim Lesen des Briefes kommt eine weitere Freude für Gaius hinzu. Er wird gelobt und nicht zu knapp. „Ich habe mich sehr gefreut, als Brüder kamen, die für deine Treue zur Wahrheit Zeugnis ablegten und berichteten, wie du in der Wahrheit lebst“ (3. Johannes 2,3). Gemeint ist hier der Einsatz für den Glauben und für Christus. Da kann man sich wahrhaft freuen, denn wer wird nicht gerne gelobt?

Doch dann folgt auch gleich eine Bitte. „Du, hör mal“, meint Johannes. „Auch, wenn du dir alle Mühe gibst, es stimmt etwas nicht. Euer Oberhaupt, Diotrephes, setzt sich nicht so für unseren Glauben ein, wie wir es uns gewünscht hätten. Im Gegenteil, er will die Führung selbst übernehmen und uns so langsam ausbooten. Die letzten Briefe, die ich schrieb, erreichten euch nicht, sie kamen zurück zu mir. Darum habe ich heute einen anderen Weg gewählt und diesen Brief direkt an dich gesandt.“

Das hört sich wirklich schlimm an. Doch auch heute noch kommt es vor, dass wir solche Hirten finden. Was kann man tun, was kann in unserem Fall Gaius tun? Das ist nicht einfach, noch dazu, wo wohl keinem von uns nach Streit der Sinn steht. Es geht weniger darum, wer die Führung behält, sondern allein um Christi Sache, um den wahren Glauben. Das einzige, was da wohl helfen wird, ist ein Gespräch in Nächstenliebe, um Diotrephes zu überzeugen, ohne ihn bloßzustellen.

Christina Telker, Bernau

 

Christus mit einem Lamm auf dem Arm
Christus ist der gute Hirte.
Foto: pixabay

 

„Weide meine Lämmer!“

Predigttext zum 1. Mai 2022
Miserikordias Domini: Johannes 21,15–19

Da sie nun das Mahl gehalten hatten, spricht Jesus zu Simon Petrus: Simon, Sohn des Johannes, liebst du mich mehr, als mich diese lieb haben? Er spricht zu ihm: Ja, Herr, du weißt, dass ich dich lieb habe. Spricht Jesus zu ihm: Weide meine Lämmer!
Johannes 21,15–19

Es ist der Sonntag des guten Hirten. Wochenspruch und Psalm und Lesungen sind darauf abgestimmt. So auch der Predigttext. Und vermutlich wird die Gemeinde diesmal nicht im Wechsel, ­sondern unisono, vielleicht sogar auswendig und im Bewusstsein der Verbundenheit auch mit den jüdischen Geschwistern beten: „Der HERR ist mein Hirte, mir wird nichts mangeln.“ Spätestens beim Evangelium aber wird dieser „HERR“ sich zu erkennen geben als einer, der sich selber wie ein Lamm zur Schlachtbank führen lässt: „Ich bin der gute Hirte. Der gute Hirte lässt sein Leben für die ­Schafe …“. Was aber heißt das für die Schafe?

„Weide meine Lämmer!“. Das ist ein Wort des Auferstandenen, der sich als solcher seinen Jüngern zu erkennen gibt. Sie waren wieder zurück- gekehrt nach Galiläa, zurück zu ihren Netzen. Sie waren wieder auf sich selbst zurückgeworfen, wie Schafe, die keinen Hirten haben. Sie sehen ihn am Ufer stehen. Sie essen mit ihm Brot und Fische, so wie es immer war, wenn sie mit ihm zusammen waren. Sie wissen, dass er da ist, mitten unter ihnen, und sie wissen es doch nicht. „Niemand wagte, ihn zu fragen.“ Soweit die Vorgeschichte.

Und dann der Auftrag, die Berufung: „Weide meine Schafe!“ Der Angeredete ist Petrus, gemeint aber sind alle, auch mit der Frage: „Hast du mich lieb?“ So haben sie sich doch wohl alle nach seiner Hinrichtung gefragt: „Hab ich ihn lieb? Ist er für mich immer noch derselbe, auf den ich mich verlassen konnte, auf dessen Wort wir alles wagen wollten? War er nicht für uns so wie ein Hirte, der seine Schafe gut und sicher weidet, so dass sie keinen Mangel leiden und nichts zu fürchten haben, keine Feinde, keine Wölfe, keine Löwen? Nun aber ist er selbst gerissen worden! Oder? Ist er’s, oder ist er’s nicht?“

„Herr, du weißt, dass ich dich lieb habe!“ ­Dreimal dieselbe Frage. Dreimal dieselbe Antwort. So als wagte der Gefragte nicht, es frei heraus zu sagen, als müsste es ihm in den Mund gelegt werden: „Sag du es mir! Du kennst mich besser als ich!“ Und dreimal, fast möchte man verwundert sagen: trotzdem, der Auftrag, die Berufung: „Weide meine Schafe!“ Sei selbst ein guter Hirte! So wie ich es war für euch, sei du es jetzt für andere!

Der Berufung aber folgt die Warnung: „Aber Vorsicht! Ich gebe meine Schafe jetzt in deine Hand. Du sollst sie in meinem Sinne führen. Aber du wirst ein geführter Führer sein und bleiben. „Ein anderer wird dich gürten und führen, wohin du nicht willst. Folge mir nach!“ Manch einer wird sich noch erinnern an den Bericht von Helmut Gollwitzer über seine Zeit als Kriegsgefangener in Russland. Es geht nicht immer nur nach unserem Willen. Oft zeigt es sich erst im Nachhinein, wohin der gute Hirte seine Schafe führen will. Dann ­werden sie erkennen, dass es trotz allem eine gute Weide war. Dann werden sie unter all den Stimmen, die auf sie einreden, seine Stimme heraushören und wieder wissen, was sie an ihrem guten Hirten hatten und dass nichts und niemand sie „aus seiner Hand reißen“ wird.

Ulrich Hollop, Pfarrer im Ruhestand, Berlin

 

Eine Gruppe von interreligiösen Predigern
Mitglieder der Vorbereitungsgruppe der Langen Nacht der Religionen vor dem Brandenburger Tor.
Foto: Archiv Nützel

Was ziehen wir an?

Predigttext zum 15. Mai 2022
Kantate: Kolosser 3,12–17

So zieht nun an, als die Auserwählten Gottes, als die Heiligen und Geliebten, herzliches Erbarmen, Freundlichkeit, Demut, Sanftmut, Geduld. Und der Friede Christi, zu dem ihr berufen seid in einem Leib, regiere in euren Herzen und seid dankbar.                                                                               Kolosser 3,12+15

Diese Frage stellt sich dem jungen Mann vor mir zurzeit nicht. Er ist als nigerianischer Student aus Kiew mit seiner Braut nach Berlin geflohen – mit nichts als den Kleidern auf dem Leib und ihren Handys. Aber er jammert nicht. Er spricht von seinem Glauben an Gottes Vorsehung und wie froh er ist, dass ihnen die Flucht gelungen ist, auch wenn die letzten Bilder vom Bombeneinschlag neben ihnen in Kiew in ihre Seele eingebrannt sind. Er ist voller Dankbarkeit für Gott und die Menschen, die ihm eine sichere Unterkunft in ihrer Wohnung für zwei Wochen zur Verfügung stellen und 50 Euro für die ersten Tage gegeben haben.

In der Zeitung fragt der Trendanalyst, ob die blaugelben Pradamodelle bei der Fashion Week eine solidarische Kleidungsform angesichts des Krieges in der Ukraine sind oder ob Mode besser schweigen sollte. Die Bilder im Fernsehen zeigen einen scheinbar rational agierenden russischen Präsidenten im blauen Anzug mit Krawatte beim Regierungsbusiness wie gewöhnlich und einen ukrainischen Präsidenten im olivbraunen T-Shirt konzentriert auf die Organisation der Verteidigung der Ukraine.

Und was ziehen wir in diesen Zeiten an? Die Antwort, die unser Predigttext aus dem Kolosserbrief auf diese Frage gibt, war an eine kleine christliche Gemeinde gerichtet, die nach dem Tod des Apostels Paulus verunsichert war, wie es weitergehen soll. Sie lebte als kleine Gruppe in einer religiös und kulturell pluralen kleinasiatischen Stadt, die ihre besten Zeiten hinter sich hatte. In unserem Predigttext sind sie aber nicht irgendwer am Rande der Weltgeschichte, sondern sie werden angesprochen als die Auserwählten Gottes, als die Heiligen und Geliebten Gottes. Es kommt auf ihre Bekleidung, ihr Weitergeben der Vergebung Gottes, ihr gegenseitiges Ertragen und das derjenigen, die ihnen als gänzlich „Andere“ begegnen, ihre Taten im Namen Jesu Christi in Worten und Werken, ihr Lehren, Ermahnen, Singen vom Frieden und der Weisheit Jesu Christi und ihren Dank, ihr Dankbarwerden gegenüber Gott an.

Ihre Kleidung soll aus herzlichem Erbarmen, Freundlichkeit, Demut, Sanftmut und Geduld bestehen und die Liebe als Band der Vollkommenheit soll diese Kleidung zusammenbinden. Wenn ich diese Kleiderordnung lese, sehe ich eine Vielfalt von gläubigen Menschen vor mir. Mit Kopftuch, Haube, Turban und Kippa, mit schwarz-weißen, blauen, braunen und orange-roten Mönchs-, Nonnen- und Diakonissentrachten aber auch Uniformen, roten, schwarzen und weißen Talaren und Miniröcken sind sie in einem Video zu dem Lied „Imagine“ von John Lennon zu sehen. Es ertönt bei den Friedensdemonstrationen in dieser Zeit wie eine Hymne und besingt die Hoffnung auf das Einssein der Welt, die Überwindung von Feindschaft, Gewalt und Tod aufgrund von Grenzen, Ländern, Religionen und gegenseitigen Verteufelungen als Überzeugung nicht nur von Träumerinnen und Träumern, sondern als zu realisierende Möglichkeit für diese eine Welt. Für mich ist es ein Hoffnungslied und in diesem Sinn dann auch ein Danklied am Sonntag Kantate für die Perspektive, die uns Gott mitten in den Schreckensbotschaften eröffnet.

Dr. Gerdi Nützel, Pfarrerin in der Evangelischen Studierendengemeinde Berlin für internationale Studierende

 

Junge betet mit gelb-blauen Bändern um die Hand
Friedensgebet für die Ukraine.
Foto: pixabay

 

 

Hilft beten?

Predigttext zum 22. Mai 2022
Rogate: Lukas 11,(1–4)5–13

Bittet, so wird euch gegeben; suchet so werdet ihr finden; klopfet an, so wird euch aufgetan. … Wenn nun ihr, die ihr böse seid, euren Kindern gute Gaben zu geben wisst, wie viel mehr wird der Vater im Himmel den Heiligen Geist geben denen, die ihn ­bitten!                                                               Lukas 11,(1–4)5–13

Die Botschaft scheint klar, die Aufforderung und Ermutigung, die dem Sonntag den Namen gibt: Rogate! Betet!

In den ersten vier Versen hören wir Jesus, wie er seine Jünger lehrt, in nur wenigen Worten zu beten. In wenigen Worten das Wesentliche, vom Bekenntnis zu dem einen Gott bis hin zur Selbstverpflichtung der Betenden. Ein christlicher Gottesdienst ohne dieses Gebet ist für mich nahezu unvorstellbar, ist es doch immer auch Ausdruck der weltweiten ökumenischen Verbundenheit der Christen.

Aber in diesen Tagen ist meine Freude darüber sehr getrübt, muss ich doch daran denken, dass der oberste Geistliche der russisch-orthodoxen ­Kirche den kriegerischen Angriff auf die Ukraine, unermessliches Leid, vieltausendfachen Mord und hemmungslose Verwüstung religiös rechtfertigt. Und ich weiß auch, wie vielfältig in Vergangenheit und Gegenwart das Beten einher ging und geht mit verwerflichen Gedanken und schändlichem Tun. „Ihr, die ihr böse seid …“ sagt Jesus in ­unserem Text.

Wir werden uns die Frage gefallen lassen müssen, welchen Sinn und Wert das (gemeinsame) Gebet denn habe, wenn es nicht einher geht mit entsprechendem Tun.

Auch der zweite Teil des Textes, diese bilderbuchartigen Gleichnisse vom Bitten und Empfangen, vom Suchen und Finden, Anklopfen und Eingelassen werden rufen mit Sicherheit Fragende und Zweifler auf den Plan. Auf den ersten Blick suggerieren diese Verse, man müsse nur deutlich und nachdrücklich, vielleicht sogar unverschämt drängend vor Gott treten – und dann würde das schon klappen mit dem Gebet.

Ich denke an die vielen Friedensgebete in ­diesen Tagen. Wie schön wäre es, wenn damit der Krieg in der Ukraine, ja Kriege und Unfrieden überhaupt aus der Welt zu schaffen wären, wenn es durch Beten kein sinnloses Töten, keine Vertreibungen und Fluchten, keinen Hunger, keine Armut, kein Corona und keine Klimakatastrophe mehr gäbe und wir alle manche Sorge weniger haben müssten.

Ist Beten also nutzlos? Nein! Es ist nur ein ­Missverständnis, wenn wir meinen, es müsse nur richtig gebetet werden und dann würde Gott es schon richten! Er ist kein Automat, aus dem man bei Einwurf passender Währung sofort das Gewünschte erhält. Am Ende unseres Textes steht, was Gott denen geben wird, die ihn bitten. Das ist nicht mehr, aber vor allem nicht weniger als der Heilige Geist! Recht verstanden geht es beim Beten also letztlich nicht um einen möglichen Sinneswandel des Vaters im Himmel, sondern um unseren und um unser Denken und Handeln im Geist Jesu, im Geist des ­Friedens und der Liebe.

 Manfred Lösch, Pfarrer im Ruhestand und Gefängnisseelsorger der EKBO

Ein Säugling im Arm der Mutter
Ein Kind ist Kraftquelle in schwieriger Zeit.
Foto: pixabay

Der Geist tritt für uns ein

Predigttext zum 29. Mai 2022
Exaudi: Römer 8,26–30

Desgleichen hilft auch der Geist unsrer Schwachheit auf … der Geist selbst tritt für uns ein mit unaussprechlichem Seufzen. Wir wissen aber, dass denen, die Gott lieben, alle Dinge zum Besten dienen, denen, die nach seinem Ratschluss berufen sind.                                                                               Römer 8,26+28

Noch ist der vor wenigen Stunden Neugeborene namenlos und doch hat er bereits viele Aufgaben, ja Funktionen. Sein Platz in der Familie ist der Erste der nächsten Generation. Zur Welt gekommen ist er in unsicherer Zeit, wie damals seine nun Urgroßeltern. Geliebt von den Familien ist er schon lange vor diesem Geburtstag. Sein erster Schrei war ein Urschrei, berichtet der stolze Vater. Dieses Kind ist Kraftquelle in schwieriger Zeit, unaussprechliche Freude neuen Lebens, Verheißung auf eine Zukunft. Ist er berufen oder ­vorherbestimmt?

Alles ist bereits da, ist längst in diesem kleinen Menschen angelegt. Vieles wird er selber gestalten müssen und wollen. Auch in Zeiten eigener Schwachheit – und gebe Gott ihm das Vertrauen, auch dann geliebt zu bleiben. Sich ins Herz schauen zu lassen, Leiden und Freude zu zeigen. Und sich trösten zu lassen, Sorgen und Nöte abgeben zu können in dieses unaussprechliche Seufzen des Heiligen Geistes, den Tröster und Statthalter für unsere Sorgen, den Lebensbegleiter und unermüdlichen Aufrichter.

Auch in uns ist so vieles längst angelegt und darüber hinaus wird immer wieder mehr von uns erwartet. Gott stellt uns vor weitere Aufgaben und Herausforderungen. Einige können wir nicht allein aus eigener Kraft bewältigen oder gar meistern. Aber wir wissen auch, dass Gott uns nicht überfordern wird, selbst wenn es sich immer wieder mal so anfühlt. Gott bleibt bei uns gerade dann, wenn es schwerfällt, sich tatsächlich trösten zu lassen, weil wir fragen: Wozu der Wahnsinn des Krieges? Warum die Schrecken der Pandemie? Wie können wir diese Angriffe auf das eigene Leben ertragen?

Der Geist hilft unserer Schwachheit auf – wenn uns die Worte und die Kräfte fehlen, wenn wir nur noch seufzen können, wenn wir einen großen Atemzug Lebensatem benötigen. Um auch dann noch glauben und hoffen und lieben zu können, wenn uns längst nicht alle Dinge zum Besten dienen. Manche geben dem inneren Zweifel nach und verzweifeln an diesen Fragen. Andere fühlen sich getröstet und gestärkt in ihrem Glauben und ihrer Zuversicht. Sind sie die Berufenen, Ausersehenen und Vorherbestimmten?

Denken und glauben wir noch in diesen ­Kategorien? Als Kinder Gottes, Geschwister Jesu, hat Gott viel in uns längst angelegt auch ­Bescheidenheit, Demut, Geduld und das unbedingte Vertrauen, geliebt zu sein und getröstet zu ­werden. Vom ersten Atemzug bis zum letzten getröstet und begleitet vom Heiligen Geist. Geborgen in Gottes Liebe, von ihm geschaffen und ins Leben gerufen und somit längst Berufene.

Karin Bertheau, Pfarrerin in Müncheberg im Land Brandenburg